Wenn ich am frühen Morgen aus dem
Fenster schaue, sehe ich Kinder, die in die Schule und den Kindergarten
laufen. Viele dieser Kinder werden schon morgens gegen 7.00 Uhr in
der Schule oder im Kindergarten abgegeben. Die meisten erst gegen
16.30 am späten Nachmittag abgeholt. Es sind die Kinder einer
turbokapitalistischen Leistungsgesellschaft. Eltern die für ihre
Kinder keine Zeit mehr haben. Diese Kinder leben meiner Meinung nach
eine Kindheit aus zweiter Hand. Was ist da noch viel vorhanden von
Kindheit? Gewiss, Zeiten und Begriffe ändern sich, doch die Seele
des Kindes, leidet unter solch einem Stress. Nur damit es einem
materiell besser geht, muss man nicht die Seele seines Kindes
verkaufen. Wer solches seinem Kind antut ist ein Seelenverkäufer!
Alexander Mitscherlich schrieb einmal:
„Warum werden unsere städtischen Kinder nicht wie Kinder von
Menschen behandelt, sondern wie Puppen oder Miniaturerwachsene, von
infantilisierten Erwachsenen umgeben, deren städtische
Vorerfahrungen sie dermaßen beschädigt haben, dass sie schon gar
nicht mehr wissen, was der Mensch vom 6. bis zum 14. Lebensjahr für
eine Umwelt braucht.“
Vor lauter
Kindergarten, Schule und Kursen haben Kinder heute fast keine
Freiräume mehr um sich seelisch zu entwickeln. Kindheit besteht
heute vorwiegend aus Aufgaben und Pflichten. Und ist einmal ein
Stückchen „Freiheit“ vorhanden, verbringen sie diese meist vor
dem Fernseher oder in einer digitalen Traumwelt fern von jeglicher
Authentizität.
Wie wichtig zum
Beispiel Natur für Kinder ist, begreifen auch viele Eltern nicht
mehr, weil diese selbst in einer geisttötenden Entfernung vom
Naturbegriff leben.
Jeder Erwachsene,
der in seiner Kindheit ein naturverbundenes Leben führen konnte,
wird sich mit Wehmut daran zurückerinnern. In dem Wissen, dass Natur
ihn geprägt hat und sein Naturbegriff ist bestimmt positiv.
Wegen
des Wettbewerbs in unserer Ellenbogengesellschaft werden Kinder in
die Ganztagsreservate von Schule und Kita gesteckt. Und all dies
unter dem Deckmantel einer fürsorglichen und einzig richtigen
Pädagogik. Setzen wir dieser nicht gerade kinderfreundlichen
Pädagogik einige Zeilen aus dem Buch von Janusz Korczak entgegen,
„Wie man ein Kind lieben soll“:
„Das Kind, das du geboren hast,
wiegt zehn Pfund. Davon sind acht Pfund Wasser und je eine Handvoll
Kohlenstoff, Kalk, Stickstoff, Schwefel, Phosphor, Kalium und Eisen.
Du hast acht Pfund Wasser und zwei Pfund Asche zur Welt gebracht.
Und jeder Tropfen dieses deines Kindes war einmal Dunst
einer Wolke, Ein Schneekristall, Nebel, Tau,ein Bach und das Abwasser
eines städtischen Kanals.Jedes Atom Kohlenstoff oder Stickstoff war
einmal Bestandteil von Millionen verschiedener Verbindungen. Du hast
nur das alles zusammengefügt, was schon vorhanden war. Die Erde
schwebend im unendlichen Raum. Ihr naher Gefährte, die Sonne,
fünfzig Millionen Meilen entfernt. Der Durchmesser unserer kleinen
Erde, das sind nur dreitausend Meilen feurig glühender Masse mit
einer dünnen, in einer Mächtigkeit von zehn Meilen erstarrten
Schale. Auf dieser dünnen, mit Feuer erfüllten Schale, inmitten von
Ozeanen, eine Handvoll festes Land. Auf dem Land, zwischen Bäumen
und Sträuchern, Insekten, Vögeln, Tieren wimmelt es von Menschen.
Und unter den Millionen von Menschen hast du noch ein – ja was
denn? - Hälmchen, ein Stäubchen zur Welt gebracht, ein Nichts. Aber
dieses „Nichts“ ist ein leibhaftiger Bruder der Woge im Meer, des
Sturmwindes, des Grases, der Eiche, der Palme – des Gelbschnabels
im Vogelnest, des Löwenjungen, des Füllen und des kleinen Hundes.
In ihm ist etwas, das empfindet, untersucht – duldet, begehrt, sich
freut, liebt, vertraut, hasst, - glaubt, zweifelt, an sich zieht und
abstößt. Dieses Stäubchen umfasst mit seinen Gedanken alles:
Sterne und Ozeane, Berge und Abgründe. Und was ist dieser Inhalt der
Seele anders als das All, nur ohne Dimensionen.“
hukwa