Donnerstag, 9. Juli 2009

Der entschwundene Gott

Wie ein roter Faden zieht sich durch die Urkulturen der Glaube an einen Himmelsgott. In sehr vielen alten Gesellschaften finden wir diesen Glauben an einen Schöpfergott, der sich schon vor langer Zeit von den Menschen zurückgezogen hat. Diesen Glauben an einen Himmelsvater findet man nicht nur in der Frühgeschichte der arischen Völker, sondern es ist ein sehr weit verbreiteter Glaube und man kann mit Frazer übereinstimmen, dass dieser behauptete, der Glaube an einen Himmelsgott sei wohl öfters, in analoger Weise, auf der Erde selbstständig entstanden.
Bei der Urbevölkerung Indiens haben sich Spuren eines fast vergessenen Glaubens an eine höchste Gottheit gefunden, an die kein Kult mehr gerichtet wird. Auf den Andamanen glaubte eines der primitivsten Völker Asiens an ein höchstes Wesen, das im Himmel wohnt, dessen Stimme der Donner, dessen Atem der Wind ist.
Die Menschheit die ihren Schöpfer vergaß, strafte er durch eine Sintflut. Nachdem er die Menschen ein letztes Mal an seine Gebote erinnert hatte, zog er sich zurück.
Auch in ganz Afrika lassen sich Spuren eines großen Himmelsgottes im Glauben der Urbevölkerung nachweisen, der so gut wie verschwunden ist. Ebenso finden wir ihn bei den Ureinwohnern Australiens, als auch bei den Völkern wie den Samojeden, Ainu und Algonkin.
Immer wieder werden wir auf die Tatsachen stoßen, dass das höchste Wesen sich von der Welt zurückgezogen hat, weshalb ihm auch kein eigentlicher Kult mehr gewidmet wird. Diese Gottheit gilt eben als zu geheimnisvoll und groß, um sich um die gewöhnlichen Angelegenheiten der Menschen zu kümmern. Dass es sich bei dem Himmelsgotte um einen Schöpfergott handelt, erkennt man sehr deutlich an den Mythen der australischen Ureinwohner. Von allen australischen Gottheiten wird gesagt, dass sie das Weltall und den Urmenschen erschaffen haben.
Während ihres kurzen Aufenthaltes auf Erden haben sie gewisse Geheimnisse offenbart und vor allem die moralischen und sozialen Gesetze eingeführt. Der oberste entschwundene Gott wird als unser Vater angesprochen. Er ist eines der ältesten und höchsten Wesen der Australier (Aborigines.) Es gehört wohl zu den anerkannten großen Entdeckungen der vergleichenden Sprachwissenschaft des vorigen Jahrhunderts, erkannt zu haben, das die Arier einen Himmelsgott als lichtes Wesen und als Vater verehrt haben müssen.
Schon die ersten Begründer der indogermanischen Sprachwissenschaften fanden, dass der Gottesname vom Ur – arischen Stamm deivos bei fast allen arischen Völkern gleich ist. Dieses Wort hat bei allen diesen Völkern, die klare und bestimmte Bedeutung GOTT. Der bekannte Erforscher der arischen Religion, Leopold von Schröder, schrieb dazu: "Die Existenz dieses festgeprägten Wortes mit ebenso festgeprägter Bedeutung schon in der Ursprache, wird durch die Übereinstimmung des Sanskrit mit dem Lateinischen, Litauisch – Preußischen, Keltischen, Skandinavischen über allen Zweifel hinausgehoben. Seit der ältesten Zeit, wo die genannten Völker auf den Schauplatz der Geschichte treten, bezeichnen sie ihre Götter mit diesem Namen und heute noch rufen im Fernen Orient die Inder ihre Devas an und beten zu ihnen wie zu Zeiten des Rig-Veda, während in unzähligen Kirchen des Okzidents auch heute noch Gott unter dem Namen Deus verehrt wird. Diese übereinstimmende arische Gottesbezeichnung leuchtet uns aus jener Zeit wie ein helles Licht entgegen.
Durch Beifügung der Bezeichnung Vater wird diesem Glauben eine Überaus bedeutsame Charakterisierung gegeben. Der Altinder betete zum Himmelsvater, dem Dyaus-Pitar, wie der Grieche zum Zeus-Pater und der Römer zum Jupiter. Der alte Himmelsgott der Arier tritt uns als ausgeprägte, göttliche Person entgegen. Der Vatername schließt viel, fast unabsehbar viel in sich. Der bekannte Religionsforscher F.M. Müller meinte im Jahre 1891, die Aufdeckung dieser sprachlichen Gleichung sei die bedeutenste Entdeckung des 19.Jahrhunderts auf dem gebiet der alten Geschichte der Menschheit, in ihr liege beschlossen das unsere Vorfahren und die eines Homers und Cicero, nicht nur die selbe Sprache wie die indischen Völker sprachen, sondern dass sie alle einmal die gleiche Religion hatten und das sie einst die gleiche höchste Gottheit unter dem gleichen Namen: Vater Himmel verehrten.
Durch die Jahrtausende hindurch ist der Glaube an den Urgott entschwunden, er ist nicht verloren gegangen, Gott hat sich zurückgezogen, geblieben ist sein Schein in einer entgotteten Gesellschaft. Allerdings nur ein Widerschein. Denn mit jedem Schritt in die Zukunft, hat sich Gott einen Schritt von uns entfernt. Je größer der Kult um Gott wurde, um so komplizierter wurde das erkennen Gottes. Der archaische Mensch konnte Gott noch schauen. Der Mystiker von heute kann ihn nur noch erahnen. Mit seinem verschwinden hinterließ Gott dem Menschen seine Emanationen.
Die Götter, die Emanationen Gottes, wurden zum Weg desjenigen, der Gott erkennen wollte. Jeder einzelne Kleingott stellt in seiner Weise ein Prinzip des Urgottes dar.
Auch durch die Feldarbeit zahlreicher Ethnologen dürfte der Beweis erbracht sein, das der Glaube an einen Himmelsvater uranfänglich ist. Viele Mythen berichten von dem Tun des Urahnen oder gar des höchsten Wesens. Vor allem bei den Schamanen vieler sibirischer Stämme, die eine rege Geisterverbindung aufrecht erhalten, stoßen wir immer wieder auf ein höheres Wesen, das wir als den Urgott ansehen können. Es drängt den Menschen in den archaischen Kulturen, sich in die große Ordnung des Kosmos einzugliedern, sein eigenes Tun an eine Urnorm anzupassen und dadurch sein eigenes Heil zu erwirken. Dafür sprechen Sitten und Mythen der Urkulturen.
Bei Völkern wie den Samojeden, Korchen, Ainu, Algonkin und anderen wird der Mittelpfosten ihrer Hütte mit der Weltachse identifiziert. Der Bau der Hütte, des Wigwams oder des Tipis hat immer den Bau der Welt zum spirituellen Sinn. Um den Pfosten der Hütte herum schafft sich der Mensch immer seine Welt. ringt sie als kleine, geordnete Welt dem großen Chaos ab. Der Pfosten in der Mitte dieser Welt gilt als Himmelsleiter. Als Leiter, Verbindung zu dem höchsten Wesen. Mit der Himmelsleiter kann der Schamane mit dem kosmogonischen Zyklus, mit Emanationen des Göttlichen in Verbindung treten und so Kontakt zu dem Urgott herstellen. Diese Leiter ist ein Symbol um mit dem Urgott in Kontakt zu treten.
Die Hindus stellen diese Geheimnisse durch die heilige Silbe AUM dar. Darin steht der Laut A für das wache Bewusstsein, U für das Traumbewusstsein, M für den Tiefschlaf. Das Schweigen das die Silbe umgibt, ist das Unbekannte, das einfach "das vierte Viertel" genannt wird. Die Stille selbst ist Gott als Schöpfer, Erhalter und Zerstörer, aber das Schweigen ist Gott als Ewiger, in all die Anfänge und Untergänge des Zyklus nicht Verstrickter: Unsehbar, unbetastbar, ungreifbar, undenkbar, unberechenbar, nur in der Gewissheit des eigenen Selbst gegründet.
Gott ist entschwunden, er ist nicht mehr erschaubar, er ist verschwunden wie die Sonne manchmal hinter einer Wolke verschwindet.

Die Geschichte, ja die Biographie eines solchen Gottes, der auch ein zurückgezogener Gott hätte werden können, ersehen wir an dem jüdischen Gott Jehova. Zur Zeit Abrahams war Gott, Jehova, ein Familiengott. Er war tatsächlich Abrahams ganz persönlicher Familiengott – eifersüchtig, empfindsam, reizbar, kleinlich und rachsüchtig – er wurde zum Stammesgott, zum Gott eines "auserwählten Volkes", was übrigens eine chauvinistische, faschistische Einstellung ist, als ob nicht jedes Volk das recht hätte, auserwählt zu sein. Durch das Christentum wurde Jehova zu einem universellen, einem Weltgott, der keine Grenzen von Rasse und Sprache kennt.
In der Religion der Germanen entdecken wir eindeutig, das die Vielheit der Götterwesen sich in einem Wesen gipfelt und jene als Ausfluss aus ihm erscheinen. Es ist der Glaube an den einen Urahn, welche die religiösen Vorstellungen der Germanen aus einem geistigen Urwesen ableiten und die Einheit des Gottesbegriffes zur Voraussetzung einer späteren polytheistischen Zersplitterung machten.
Das streben nach Anerkennung einer höchsten Macht, die von einem Wesen getragen wird, findet seinen Ausdruck in dem höchsten Gott unserer Vorfahren, in Wotan, Wuodan, Woden, Guodan, Odin, dem Allvater, Alldurchdringenden, unter dem die Welt steht, in den ältesten Liedern Allvater genannt, insofern die Macht und die Eigenschaften, die auf verschiedene Götter verteilt sind, in ihm zusammengefasst gedacht werden.
So wird der Gottsucher, auf dem Wege zu Gott, ob er nun mystische Praktiken anwendet oder intensiv in den Kulturen der Völker sucht, am ende immer vor dem einen Rätsel stehen, dem unbekannten Gott, wie ihn auch schon die alten Griechen ehrten.
hukwa