Donnerstag, 20. November 2008

Am Anfang steht das verwundern

Am Anfang steht das verwundern
Eine Tagebuchaufzeichnung von Hans Wagner

Ich denke wieder philosophisch, ich könnte auch sagen ich bin wieder zu Hause!
Jedes mal wen ich wieder in ihre Gefilde zurückgekehrt bin kommt mir der Satz des Aristoteles in den Sinn:
"Am Anfang der Philosophie steht das verwundern!" Um das philosophische Denken aus dem Unterbewusstsein wieder hervor zu holen beginne ich meistens mit Hegel. Seiner klaren Sprache überlasse ich mich für einige Tage ganz. Auch Hegel beschrieb dieses "nach Hause" kommen:
"Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und vor der Verwüstung rein bewahrt sondern das ihn erträgt
und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet".
In diesem gespaltenen Sein arbeitet sich der Geist durch die Philosophie und irgendwann, kommt er nach Hause. Der Geist kennt nun die Widersprüche des Lebens und er weiß, das alles ist Schein. Nur im Reich der Philosophie
findet der "sich wissende Geist" seine wahre Heimat.

Dubitando enim ad inquisitionem venimus, inquirendo verit atem percipimus – dies war der Wahlspruch von Peter Abelard – ich selbst würde ihn folgt übersetzen: durch den Zweifel nämlich gelangen wir zur Untersuchung, und untersuchend gelangen wir zur Wahrheit.

Durch diese Wahrheit schützen wir uns vor den Infamitäten des Lebens. Die Gefahr besteht das wir ihnen immer wieder verfallen und somit auf einer niederen Stufe des Geistes landen damit sind wir den Verstrickungen dieser Gesellschaft preisgegeben. Für die "Entstrickung", denn erneuten Sprung in ein höheres Bewusstsein zurück, zahlen wir unseren Preis. Das "werde der du bist", ist in einer Zeit absoluter ökonomischer Mentalität äußerst schwer umzusetzen. Dennoch ist es ein geistiges Gesetz, sich auf den Weg zu höheren Bewusstseinssphären zu begeben. Denn – der Mensch ist eine Metamorphose!
Das Tier in uns, jenes dionysische Prinzip fordert seinen Tribut. Es besteht auf seinen Anteil den es an uns besitzt. Geben wir diesem nicht nach kann es ganz schnell passieren, das wir uns in einem Labyrinth wieder finden, aus dem uns nur noch apollonische Lichtkräfte befreien können. Als Mensch steht uns die Entscheidung offen, dem edlen Teil unseres Wesens zu folgen, oder aber dem niederen, infamen Teil. Die "Verstrickung" in den infamen Alltag ist der gordische Knoten, denn es zu entfesseln gilt, dennoch hilft manchmal nur der Schwerthieb um uns vom Mythos von Sisyphus zu befreien. Ich denke das um die wahren Wege der Lebensführung das menschliche Bewusstsein in seiner ganzen Geschichte immer gerungen hat. Und wir werden uns immer wieder der sokratischen Frage stellen müssen. Es scheint mir oft wie eine Erinnerung aus unserer metaphysischen Heimat, als hätte gerade der alte Sokrates zu mir gesprochen. Als sage er für den denkenden Menschen bietet die Philosophie die Möglichkeit, durch Weltorientierung und Existenzerhellung zur tieferen Erkenntnis unseres Selbst zu gelangen um
in der Undurchdringlichkeit des Daseins und seinen Infamitäten einen Halt zu finden.
Dieses "werden" des Menschen muss zugleich auch sein "Sein" sein.

Christian Morgenstern schrieb einmal: "Ich bin wie die Brieftaube, die man vom Urquell der Dinge in ein fernes, fremdes Land getragen hat und dort freigelassen hat. Sie trachtet ihr ganzes Leben nach der einstigen Heimat, ruhelos durchmisst sie das Land nach allen Seiten. Und oft fällt sie zu Boden in ihrer großen Müdigkeit, und man kommt hebt sie auf und pflegt sie und will sie ans Haus gewöhnen. Aber sobald sie die Flügel nun wieder fühlt, fliegt sie von neuem fort, auf die einzige Fahrt, die ihrer Sehnsucht genügt, die unvermeidliche Suche nach dem Ort ihres Ursprunges.

Jeder bewusst lebende Mensch , der etwas abseits der Konsumgewässer lebt, versucht in seinem Leben sich ein eigenes Universum, ja eine eigene Kosmogonie aufzubauen. Dies gehört zum Weg der Erkenntnis dazu. Die menschliche Seele, die Teil hat an der göttlichen Seele, steht immer in Verbindung mit der Unendlichkeit, was bedeutet: sie will Gebären!