Freitag, 21. November 2008

Philosophieren mit Kindern




Philosophieren mit Kindern
ein Referat von Hans Wagner

Wir schulden den Kindern von Heute und Morgen Verantwortung und Mitverantwortung. Es ist doch so das die Entfaltungskräfte und Kreativität vieler Kinder an der geisttötenden Armut zerbrechen die wir ihnen täglich servieren. Kindheit an sich ist abhängig von der jeweiligen Zeit und ihren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Misshandlungen und Gewalt, Scheidungen und Sorgerechtstreitigkeiten sind nur ein kleiner Teil von Problematiken die wir Erwachsene auf unsere Kinder übertragen. Damit Kinder ein autonomes Selbst entwickeln können, brauchen sie uns zum Reden, sie brauchen uns zum Zuhören, zum Vorlesen, zum spielen, zum Lernen, sie brauchen also unsere ZEIT. Vor allem für den Erwerb grundlegender Fertigkeiten. Diese Fertigkeiten sind die Basis für künftiges Lernen und die Profilierung der Persönlichkeit. Dazu gehören Vertrauen, Eigeninitiative, Anstrengungsbereitschaft, Selbstverantwortung, Ausdauer, Anteilnahme, Teamgeist, Wagemut und Neugier. Diese Fertigkeiten bilden zugleich den Grundstein für die wichtige Selbstachtung des Kindes, sowie die moralischen, ethischen und geistigen Regeln, die uns durch das weitere leben begleiten.
Hier sollten wir auch von vorneherein Kritik an Verwaltung und Staat üben, dass dieser mehr Flexibilität, mehr Eigendynamik, mehr Ideenreichtum und mehr Bereitschaft zur Selbstkritik entwickelt.
So trägt PRAKTISCHES PHILOSOPHIEREN MIT KINDERN natürlich auch zur verstärkten Werteerziehung im Elternhaus, Schule und Gesellschaft bei.
Hier sei nun die Frage gestattet – Was ist Philosophie eigentlich: vom Begriff her heißt Philosophie ( griech. philosophia ) soviel wie Liebe zur Weisheit oder Freund der Einsicht
( von griech. philia, Liebe oder philos, Freund, und sophia, Tüchtigkeit, Einsicht, Weisheit )
Eine allgemein anerkannte Definition des Wortes Philosophie gibt es nicht.
Philosophie lässt sich als Lehre oder Theorie, andererseits als die besondere Lebensweise oder Tätigkeit des Philosophierenden auffassen. Da die Philosophie – wie auch andere Gebiete z. B. Religion und Kunst – viel zu oft von Fachleuten und von Laien, zum Selbstzweck gemacht wird, d.h. zum Broterwerb, zur Unterhaltung oder auch zur Droge, sei hier noch einmal an den eigentlichen Zweck derselben erinnert, nämlich an die Liebe
zur Weisheit : " Nicht im abstrakten Wissen, sondern in der richtigen und tiefen Auffassung der Welt liegt die Quelle wahrer Weisheit... Weisheit ist die Vollendete, richtige Erkenntnis der Dinge, im Ganzen und Allgemeinen, die den Menschen so völlig durchdrungen hat, Daß sie nun auch in seinem Handeln hervortritt, indem sie sein Tun überall leitet " , so Arthur Schopenhauer. " Weisheit theoretisch betrachtet, ist die Erkenntnis des höchsten Gutes und praktisch die Angemessenheit des Willens zum höchsten Gut." ( Kant ). Im Gegensatz zur Klugheit lässt sich die Weisheit in ihren Zwecken von hohen weiten Ideen bestimmen, nicht durch die äußeren Umstände und die Forderungen des Augenblicks; im Gegensatz zur Torheit wählt sie zur Erreichung ihrer Zwecke die geeignete Mittel.
" Der Weg zur Weisheit, wenn er gesichert und nicht ungangbar oder irreleitend sein soll, muss bei uns Menschen unvermeintlich durch die Wissenschaft gehen," so Immanuel Kant, wobei er wohl nicht unbedingt die professionelle Wissenschaft meinte, denn er sagte sehr pragmatisch: " MAN KANN KEINE PHILOSOPHIE, WOHL ABER PHILOSOPHIEREN LERNEN."
Diesen Aussage kennzeichnet wesentliches und eröffnet das Verständnis für die Philosophie mit Kindern. Heute kommt es in Anbetracht zunehmender Information mehr den je, darauf an selbständig zu Denken und zu Hinterfragen, anstatt bereits Gedachtes auswendig zu Lernen.

Albert Schweitzer sagte einmal : " Wahrhaftigkeit ist das Fundament des geistigen Lebens. Durch seine Geringschätzung des Denkens hat unser Geschlecht denn Sinn für Wahrhaftigkeit und mit ihm auch für die Wahrheit verloren. Darum ist ihm nur dadurch zu helfen, das man es wieder auf den Weg des Denkens bringt. Es wird unbegreiflich bleiben, dass unser durch Errungenschaften des Wissens und Könnens, so groß gewordenes Geschlecht so herunterkommen konnte, auf das Denken zu verzichten. Die Philosophie gab den Zusammenhang mit dem im Menschen natürlich vorhandenen Suchen nach Weltanschauung preis und wurde zu einer Wissenschaft von der Geschichte der Philosophie. Das geistige und materielle Elend, den sich unsere Menschheit durch den Verzicht auf das denken und die aus dem Denken kommende Ideale ausliefert, stelle ich mir in seiner ganzen Größe vor. Als unverlierbaren Kinderglauben habe ich mir den an die Wahrheit bewahrt. Ich bin der Zuversicht, das der aus Wahrheit kommende Geist stärker ist als die Macht der Verhältnisse. Finde ich Menschen, die sich gegen den Geist der Gedankenlosigkeit auflehnen und als Persönlichkeiten lauter und tief genug sind, das die Ideale ethischen Fortschritts als Kraft von ihnen ausgehen können, so hebt ein Wirkrn des Geistes an, das Vermögend ist, eine neue Gesittung in der Menschheit hervorzubringen. Weil ich an die Kraft des Geistes und der Wahrheit vertraue, glaube ich an die Zukunft der Menschheit."
In unserer Zeit zunehmender Krisen durch menschliches Versagen, einer allgemeinen Desorientierung und Orientierungslosigkeit und einem immer deutlich werdenderem Verlust an Menschlichkeit erscheint es Sinnvoll und Not – wendig, mehr als bisher eine innere Stabilität des Menschen zu fördern und neben dem obligaten Wirtschaftswachstum auf Kosten der Armen, auch ein Wachstum an Menschlichkeit anzustreben. Hierzu könnte das PHILOSOPHIEREN MIT KINDERN ganz sicher grundlegendes Beitragen. Es könnte dazu Beitragen, den durch die Medien unterstützten, gesellschaftlichen Einfluss zur Ablenkung vom Wesentlichen, zur Entfremdung von sich selbst und von der Natur, durch immer mehr Konsum, Mobilität, Action und billiger Unterhaltung zu verringern.
Die Selbstachtung, das Selbstwertgefühl, die Selbsteinschätzung, die Selbstkontrolle sind nur wichtige Voraussetzungen für darauf aufbauende Werte im Kinderleben, sondern bilden auch das Fundament der Persönlichkeitsbildung. Friedrich Schiller sagte sinngemäß:
" Es ist nicht da draußen, da sucht es der Tor. Es ist in dir du bringst es ewig hervor." Es kann gar nicht früh damit begonnen werden, diese Erkenntnis von der Bedeutung innerer Werte und Fähigkeiten in den Kindern entstehen zu lassen, doch leider wird dies bisher weitgehend versäumt. Kinder werden in den verschiedensten Bereichen immer wieder angehalten, sich vorwiegend nach außen zu orientieren und an das Bestehende anzupassen, statt ihre Eigenständigkeit und Kreativität zu fördern. Zu diesem Problem hat Albert Einstein gesagt: " Was uns der Erfindergeist der Menschen, in den letzten hundert Jahren geschenkt hat, vermöchte das Leben sorglos und glücklich zu gestalten, wenn die organisatorische Entwicklung mit der technischen hätte Schritt halten können. So aber nimmt sich das mühsam Errungene in der Hand unserer Generation aus wie ein Rasiermesser in der Hand eines dreijährigen Kindes. Der Besitz von wunderbaren Produktionsmitteln, brachte nicht Freiheit sondern Sorge und Hunger. "
" Der Widerstand gegen den unbedingt notwendigen Fortschritt liegt in unglücklichen Traditionen der Völker, die durch den Erziehungsapparat wie eine Erbkrankheit von Generation zu Generation fortgeschleppt werden. Es ist, als ob wir mit den Jahren in das Gefängnis von Konventionen und Meinungen, der Verdeckungen und Unbefragtheiten eintreten, wobei wir die Unbefangenheit des Kindes verlieren." ( Karl Jaspers ).
In dem wir Kinder frühzeitig dazu anhalten, selbstständig zu denken, Sachverhalte zu beurteilen und Entscheidungen zu treffen, können wir durchaus einen wichtigen Beitrag zur Prävention bezüglich materieller und auch geistiger Drogen sowie physischer und psychischer Gewalt leisten. Mit einem für Kinder erarbeiteten Zugang zum Philosophieren
ergibt sich die große Chance, von der Basis her mehr Echtheit, Identität und innere Stabilität, in den heranwachsenden Menschen entstehen zu lassen, und dadurch mehr Gerechtigkeit, Frieden und Menschlichkeit in unserer Gesellschaft und Verbundenheit zur Natur zu entwickeln. Das Zurückbleiben der Traditionellen Konfessionen hinter der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung und das daraus resultierende Defizit an innerer Stabilisierung der Menschen ist ein wesentlicher Grund für den verstärkten Erfolg von Sekten, esoterischen und okkulten Gruppierungen. Es wäre zu wünschen das sich nach einer allgemeinen Einführung des Philosophierens mit Kindern bald auch andere wichtige Einzelwissenschaften wie Psychologie und Soziologie für Kinder öffnen würden. Das würde nicht nur für die hier behandelte Zielgruppe nützlich sein, sondern könnte auch den Wissenschaftlern selbst dabei helfen, sich nicht zu sehr auf die Symptombehandlung, zu konzentrieren und in ihrem Elfenbeinturm zu verlieren. Jeder, der sich für seine Mitwelt mitverantwortlich fühlt, kann auf seine Weise dazu beitragen, durch entsprechendes Bekannt machen, Anregen und Unterstützen der Philosophie mit Kindern ein Wachstum an
Menschlichkeit in unserer Gesellschaft zu fördern.
Es war kein anderer als Immanuel Kant, der in seinen Schriften dazu aufforderte, " von seiner Vernunft einen freien und keinen bloß nachahmenden, sozusagen mechanischen Gebrauch zu machen. Dergleichen Menschen können immer nur Kopien von anderen werden, und wären alle von der Art, so würde die Welt ewig auf einer und derselben Stelle bleiben." Und so forderte er – wie Heute in unseren Tagen Joostein Garder, der glaubt, Krieg und Gewalt würden sich weniger oft einstellen, wenn die Menschen nur ein wenig besser Denken gelernt hätten – zum Philosophieren auf. Philosophie ist nun hierbei nicht als die Lehre von Denksystemen, als Sophielogie, als Weisheitswissenschaft angesprochen,
sondern es geht um das philosophieren als Tätigkeit. Also nicht sie Lehre ist das Eigentliche, sondern die Lebenspraxis. Die Erfahrung der Wirklichkeit, setzt das Denken, als Selbstverständlichkeit ja schon voraus. Dies unterscheidet den praktischen Philosophen, vom akademischen Philosophen. In dem der Philosoph, in die Realität der Welt geht, wird er zum Philanthrop, zum Menschenfreund.
Zur praktischen Philosophie stellte Kant drei Bedingungen, die auch emotionale Bereitschaft
Mitmeinen:
1. Selber Denken.
2. Sich jederzeit in die Stelle eines anderen Denken.
3. Mit sich selbst einstimmig Denken.

Auch schon mit kleineren Kindern kann man Philosophieren. Es sind bereits viele kinderphilosophische Gespräche dokumentiert, die nach Piagets Stufenschema
( formal operatives Denken erst ab dem 12. Lebensjahr ) gar nicht möglich gewesen wären. Nach eigenen Erfahrungen muss ich mich der Kritik an Piaget, in diesem Punkt anschließen. Für mich persönlich war es eine Negativ – Erfahrung, als ich einen Kinderphilosophiekurs, dem Schulpsychologischen Dienst einer Großstadt anbot. Der Leiter, ein Diplom – Psychologe, bestand auf Gruppen gleicher Alterstufen. Wichtig ist ja die Integration ins Gruppenleben, was gleich bedeutend mit Gesellschaft ist. Eine menschenwürdige Gesellschaft kann es nur geben, wenn Kinder die gleichen Rechte, wie Erwachsene haben ( selbstverständlich unter Vorbehalt gewisser moralischer Prinzipien, die hier allerdings nicht unbedingt der Erwähnung brauchen ). Wenn wir auf die Straße schauen, auf Kinderspielplätze, sehen wir immer verschiedene Alterstufen zusammen da der zentrale Punkt von Kinderphilosophie, die praktische Tätigkeit von Philosophieren ist,
also zum Beispiel die Erkenntnis, ich lebe nicht allein, der Mensch ist ein Gruppenwesen, ist es ein fataler Fehler, wenn Psychologen Dogmatisch behaupten Kinderphilosophie nur in altersgleichen Gruppen zu praktizieren. Vergessen wir hierbei auch nicht das unsere Psychologie, den Menschen in das Joch der Gesellschaft eingliedern will – die praktische Philosophie hingegen, den Menschen aus diesem Joch befreien will. Psychologie ist ein
Teilgebiet der Philosophie und nicht umgekehrt.

Bereits 1692 empfiehlt der englische Philosoph John Locke, Kinder als vernünftige Wesen zu behandeln: " Vielleicht wird man sich wundern, dass ich vorschlage, mit Kindern etwas vernünftig zu erörtern, und doch kann ich nicht umhin, das für die richtige Art mit Kindern zu verfahren an zu sehen." Schüler und Lehrer, Kinder und Eltern, sollten also wie Sokrates es in seinen Gesprächen vorführt, gemeinsam Suchende und Fragende sein. Hierbei können die Gesprächsführer, den Denkprozess, methodisch unterstützen, auf andere Sichtweisen hinweisen, nach Voraussetzungen und Konsequenzen fragen. Dabei merkt man, das bei Kindern, oft Verstand und Gefühl noch nicht geschieden sind. Was ja auch eine wichtige Voraussetzung für ein Ganzheitliches Denken ist.

Entwicklungspsychologie und Didaktik

Kenntnisse über den Verlauf der kindlichen Entwicklung, können hier unterstützend helfen, so das man Medien und Methoden verwendet, die der kindlichen Sichtweise angemessen sind, aber auch über sie hinausführen können. Auch die Einfühlung in die kindliche Psyche
kann so besser gelingen. Was ja der amerikanische Psychologe Carl Rogers bewiesen hat
indem er ECHTHEIT, EMPATHIE und WERTSCHÄTZUNG zu den Grundfesten seiner Lebensanschauung machte.
Piaget schildert die psychische Entwicklung des Kindes, in dem er ein fast rein individuelles
"Denken" mit einem Minimum an kollektiven (Träumen) aufweist, das zu einer verzerrenden Assimilation des Realen an das Ich führt und eine fast perfekte Form des
"egozentrischen" Denkens darstellt. Kompensation finde im symbolischen Spiel statt: das Kind vervollständigt das Leben mit Hilfe der Fiktion und ist so in der Lage, Konflikte zu meistern. Es handelt sich hier um anschauliches oder "intuitives" Denken, eine prälogische
praktische Intelligenz, die anschaulich und operativ verfährt. Zwischen 7 und 12. Jahren sollen sich die Anfänge der Logik entwickeln, verbunden mit einer Lösung vom sozialen und intellektuellem Egozentrismus, wobei die Erklärungstypen der Kinder den
MYTHOLOGISCHEN NATURDEUTUNGEN der griechischen, vorsokratischen Philosophie gleichen (z.B. atomistische Erklärung von Phänomenen) Intuitionen werden zu Operationen und die somit einen Schlüssel zu einem wesentlichen Teil der geistigen Entwicklung darstellen. Das Kind wird fähig, seinen eigenen Standpunkt zu verlassen und sich selbst aus dem Blickwinkel der anderen zu betrachten. Es folgt eine Organisierung des Willens, damit eine bessere Eingliederung des Ich und wirkungsvollere Beherrschung des Gefühlslebens, so das auch moralische Vorstellungen sich entwickeln können:
Die heteronome Moral und objektive Verantwortlichkeit, die der einseitigen Achtung entstammt, (Piaget) wird so zur Moral des inneren Gesetzes und der subjektiven Verantwortlichkeit, die von der gegenseitigen Achtung herrührt: Äußere Normen werden verinnerlicht, da in Freundschaften z.B. erfahren wird, dass die Gegenseitige Achtung durch Lüge zerstört wird. Aus spontanem und Unbewusstem Egozentrismus wird durch gegenseitige Achtung (z.B. von Freunden) ein Gefühl für Gerechtigkeit- und hier können wir mit einer Werteerziehung anknüpfen- bis schließlich im rationalen Stadium die Gesetze des Verhaltens, ebenso wie des Denkens über die Erfahrung selbst erhoben werden und so einen Allgemeinheitscharakter erhalten.
Der Jugendliche ist nach Piaget ein Individuum, das Systeme und Theorien aufstellt, Interesse auch für unaktuelle Probleme hat, Prinzipien der Weltveränderungen diskutiert, und freie Aktivität des spontanen Überlegens zeigen kann.


Die Entwicklung geht also von einem magisch-mythischen Wirklichkeitsverständnis zu einer Reife, die dann erreicht ist, wenn der "junge Mensch einsieht, das die eigentliche Funktion seiner Überlegungen nicht darin besteht zu Widersprechen, sondern die Erfahrung voranzutreiben und zu interpretieren". (Gabriele Münnix).
Den Vergleich mit dem mythischen Wirklichkeitsverständnis zieht Piaget, da der kindlichen Egozentrik der Anthropozentrismus der frühen Philosophie entspricht.
der Mensch steht auch in dieser Epoche der Geistesgeschichte im Mittelpunkt des
Weltgeschehens, so das sich erweist, das Ontogenese und Phylogenese zu parallelisieren sind. Auch Hegel weist ja in der Phänomenologie darauf hin, das der Einzelne die Geistesgeschichte für sich nachzuvollziehen, die Entwicklung des großen im kleinen zu durchlaufen habe. Eine Entwicklung vom Mythos zum aufklärerischen Denken steckt also auch in jedem von uns, wobei wir nicht behaupten können, unsere angeblich so aufgeklärte Wirklichkeit sei frei von Mythen: Lange Zeit haben wir dem Mythos Fortschritt und Machbarkeit angehangen; der Computer wird mythisch zum Symbol unserer Zeit, und der Glaube an Esoterik nimmt wie wir alle wissen zu.
Cassirer sieht in seinem Buch "das mythische Denken", ganz entsprechend den Mythos
als eine Form der Wirklichkeitsdeutung neben anderen symbolischen Formen, bis hin zur Abstrakt logischen Formelsprache. Im Gegensatz etwa zur Auffassung der Frankfurter Schule wird der Mythos nicht abgewertet und als Vorform des heutigen wissenschaftlichen
Denkens –wie Religion- als überflüssig- da überholt- angesehen da "der Geist darüber hinaus ist". Bei Cassirer stehen alle Formen symbolischer Welterfassung nebeneinander: d.h. auch der Mythos kann seine eigene Wahrheiten enthalten: dem Kind erscheinen "zunächst alle Gestalten des Daseins wie eingehüllt in die Atmosphäre des mythischen Denkens.


"Philosophie ist wenn man trotzdem denkt", so formuliert es Otto Marquard, in seiner Schrift "Skepsis und Zustimmung". Betrachten wir diese Aussage vor dem Hintergrund, der Konsum- und Entfremdungsphänomene, von denen unsere Kinder überschüttet werden, kann es nur von Vorteil sein, Kinder zum frühen kritischen Denken zu erziehen. So schreibt
Gabriele Münnix in der Zeitschrift "engagement" : "Auch schon mit jüngeren Schülern kann man Philosophieren. Nicht nur das hier schon viele kinderphilosophische Gespräche dokumentiert sind, schon Vorschulkinder stellen voller Wissbegierde ganz fundamentale
Fragen mit philosophischer Dimension. Es handelt sich hier um anschauliches oder intuitives "Denken" ungefähr zwischen dem 7. und 12. Lebensjahr sollen sich die Anfänge der Logik entwickeln, verbunden mit einer Lösung vom sozialen und intellektuellen Egozentrismus, wobei die Erklärungstypen der Kinder den mythologischen Naturdeutungen
der griechischen, vorsokratischen Philosophie gleichen."

Wenn wir mit Kindern Philosophieren, ist es ohne Zweifel von Vorteil, sie auf die Ursprünge der Philosophie, also die "alten Griechen" hinzuweisen. Denn die Griechen- was wir im historisch – mythischen Aspekt die "Griechen" und eben die Antike nennen – diese Philosophen, Dichter, Sophisten und Historiker – sind ja teil unserer eigenen Geschichte.
Sie gehören zu unserer ständigen kulturellen Gegenwart.
Professor Dr. Wolfgang Schadewaldt schrieb in seinem Aufsatz "der Gott von Delphi und die Humanitätsidee" folgend: " Das Griechische ist ein konstitutives Element der europäischen und westlichen Zivilisation. Es stellt mit alledem, was in ihm archetypisch, grundlegend gedacht wie geformt ist, neben Römertum und Christentum, das geistige, kategoriale Grundgewebe dar, in dem auch wir – ob bewusst oder unbewusst – noch leben.


Es mag sich im Laufe der weitergehenden Zeit mit vielen und reichen Einschlägen verwirkt haben: das in der Antike "angezettelte" System tragender Hauptfäden geht durch bis auf den heutigen Tag. Die Beschäftigung mit diesem griechisch – antiken Element ist nicht nur eine Aufgabe von hohem geistigen Reiz und ein Weg zu viel Bedeutendem und Schönem."
Philosophie beschäftigt sich mit den wahren wegen der Lebensführung. Mit diesem Weg hat das menschliche Bewusstsein in seiner gesamten höheren Geschichte immer gerungen.

Die tägliche Routine, nicht nur der Erwachsenenwelt, sondern gerade unserer Kinder und Jugendlichen, ist ein Leben auf der Überholspur der gesellschaftlichen Schnellstrassen. Auf den Parkplätzen und in den Böschungen, finden wir die Wracks des von uns so schnell gelobten Lebens. Praktisches philosophieren möchte dazu einladen, einmal anzuhalten, einmal innezuhalten und auszusteigen, auszusteigen um sich selbst gemeinsam mit Kindern immer wieder die sokratische Frage nach dem Sinn des Ddaseins zu stellen.

Literaturhinweise:
Gabriele Münnix – engagement Ausgabe 4. 1996 Aschendorff Verlag
Odo Marquard, Skepsis und Zustimmung, Verlag Reclam Stuttgart
Brunno Bettelheim – Kinder brauchen Märchen Stuttgart
Hans Wagner – Ein Vortrag
Jean Piaget – Das moralische Urteil beim Kinde Suhrkamp Verlag