Mittwoch, 3. Dezember 2008

Ein Märchen von Hans Wagner

Der Turm Poesie

Einst lief ein verzweifelter Dichter durch einen großen, dunklen Wald. Die Landschaften dieses Waldes waren so weiträumig, wie die menschliche Seele, es gab keine Wege die durch den dusteren Wald führten, nur verwachsene und verschlungene Pfade. Der urige Wald erschien dem Dichter, wie ein Labyrinth aus dem es kein Entrinnen zu geben schien. Tagelang irrte der Poet durch den dichten Wald. Verzweiflung trieb den Dichter immer tiefer in die Wälder, denn er wusste das ihm ein Ungeheuer folgte. Der Dämon DASEIN war ihm unerbittlich auf den Fersen und ließ nicht locker, er wollte den Dichter unbedingt in seinen Krallen halten und zerreißen. Der arme Dichter lief gehetzt vom frühen Morgen bis in die späte Nacht, nie erblickte er eine kleine Waldlichtung, nur drohende, knarrende, wie Urgestalten ausschauende Baumriesen. Seltsame Tiere und Pflanzen traf er manchmal. Er nährte sich von den Früchten des Waldes, seinen Beeren, Pilzen und Kräutern. Manche dieser Waldesfrüchte die er aß, verwirrten und bedrängten seinen Verstand. Andere schenkten ihm klare Visionen, jede Pflanze aber stillte seinen Hunger. Einmal als er sich schon Tage im Wald aufhielt, aß er die schwarzen Beeren einer großen Pflanze. Kaum hatte er von dieser Frucht gekostet, da bemerkte er, das er die Stimmen der Vögel die umherflogen verstand. Er hielt sich unter einer großen mächtigen Eiche auf, in deren Wipfel ein Specht klopfte. Er rief nach dem Specht und tatsächlich kam der große schwarze Vogel zu ihm herab und unterhielt sich mit ihm. Der Vogel riet dem dichter die ganze Nacht dem Vollmond zu folgen und so würde er am Morgen auf eine Waldlichtung stoßen. Dies tat der einsame Poet auch, er nahm noch eine Portion der schwarzen Beeren und machte sich auf den Weg. Eulengeheul und Kauzgeschrei, Fuchsgeheule und das jämmerliche Jammern eines Dachses begleiteten ihn, wie eine nächtliche Musikkappelle. Aber die größte Angst hatte er vor dem schweigenden Dämon DASEIN. Endlich graute der Morgen in den Wipfeln der uralten Bäume und tatsächlich mit dem ersten Sonnenstrahl, erkannte er in der Ferne eine Waldlichtung. Nach vielen Tagen im dunklen Wald sah er das erste Mal wieder Sonnenlicht und einen blauen Himmel. Sehr groß war die Lichtung nicht, in deren Mitte ein sehr alter Turm aus Sandsteinen gebaut stand. Der alte bemooste Turm hatte sehr viele Fenster und ragte hoch in die Luft. Neugierig umging der Dichter den Turm konnte aber nirgends eine Tür oder ein Tor finden. Als er ihn das dritte Mal umlaufen hatte, war da plötzlich eine Öffnung. Der Dichter betrat den Turm, in der Mitte führte eine mächtige steinerne Grobgehauene Treppe nach oben. Nach jeweils sieben Stufen, war eine Plattform auf der sich verschiedene Türen befanden, die in verschiedene Zimmer führten. Jedes Zimmer hatte ein oder mehrere Fenster und sah man hinaus erkannte man seltene, farbige wunderbare Landschaften. Man konnte in die Zukunft sehen, in die Vergangenheit, ja man konnte Bilder alter Maler Meister wie großartige Landschaften sehen. Er sah Farben von deren Existenz er nie geträumt hätte. Da war ein Raum aus dem tönte wundervolle Musik, ein anderer schien alle Bücher der Welt zu beherbergen. Ein Speisezimmer war vorhanden mit den köstlichsten exotischen Speisen, die auf wunderschönen geschnitzten Tischen standen. Es dauerte einen ganzen Tag, bis er alle Zimmer angeschaut hatte.

Es war schon Abend als er vor der letzten Zimmertür stand. Er erschrak, den über der Tür stand in großen Buchstaben geschrieben: WILLKOMMEN IN DA – SEIN.
Aber er gab sich einen Ruck und betrat das Zimmer. Es war ein einfaches aber schönes Zimmer. Karg eingerichtet. Aus dem Fenster war ein großes Fernrohr in den Sternenhimmel gerichtet. Als der Dichter hineinsah konnte er in die Unendlichkeit des All schauen, er war ganz geblendet von der Schönheit des Kosmos, je länger er durch das Fernrohr sah, desto wundersame Dinge erblickte er. Mit einem Male erblickte der Dichter ein ehrwürdig , ihm heilig erscheinendes Antlitz in der Unendlichkeit des Kosmos. Der Dichter fühlte das die Erscheinung zu ihm sprach, sie sagte : Ich bin der Gott DA – SEIN.
An diesem Abend schlief er im Bett des Zimmers DASEIN . Er träumte er würde den Turm nie wieder verlassen, dies sollte er auch tun. Er verbrachte sein Dasein forthin im Turm, besuchte die Zimmer Zukunft und Vergangenheit oder ein anderes der vielen Zimmer des Turms. Die meiste Zeit aber verbrachte er aber im Zimmer DASEIN. Jede Angst war von ihm gefallen, er malte, schrieb Gedichte oder schnitzte seltsame hölzerne Masken.
Er hatte die Heimat der Poeten, Dichter, Maler und Künstler gefunden.