Dienstag, 2. Dezember 2008

Philosophia Naturalis

SED OMNIA PRAECLARA TAM DIFFICILIA QUAM RARA SUNT –
"alles Erhabene aber ist eben so schwierig wie selten".
SPINOZA


Es war Seneca der das Wort Naturphilosophie als erster prägte. Seinen Versuch die Welt zu deuten, sie beobachten und über sie nachzudenken, nannte er philosophia naturalis. Es waren die alten griechischen Physiker, die das Beet für die Naturphilosophie vorbereiteten, das Jahrhunderte später von Spinoza und schließlich von Schelling so fruchtbar eingesät werden sollte. Diese "Ur – Physiker" Griechenlands, zerstückelten nicht, immer hielten sie das ganze im Auge, auch wenn sie Feuer, Wasser, Erde und Hauch als Elemente der Welt ansahen,
PRINCIPIA SUNT AQUA, TERRA, ANIMAET SOL (Epicharmos).
Sie wollten das Ganze der Dinge erkunden und somit die Träger der letzten Einheit finden. Nicht was sie vorfanden, sondern was und wie sie fragten, wurde für die spätere Naturphilosophie, erkenntnisreich und fruchtbar. Ihr Denken kreiste zu aller erst um die vier Elemente, dann fragten sie sich wie Materie wohl beschaffen sei, wie Kraft, Stoff, Organisches und Unorganisches zu einander stehen, schließlich wie das Ganze, die Alleinheit, überhaupt zu erfassen sei? Somit war der Weg für die Naturphilosophie vorbereitet.
Die lehren der griechischen Physiker und der Philosophen wurden von den Römern übernommen.
Die Römer selbst hatten nie ein eigenes philosophisches System aufgestellt; es genügte ihnen darüber nachzudenken, was die Griechen vor ihnen gefunden hatten. Man kann die Philosophie der Römer als eine Beschäftigung mit der Weisheit bezeichnen. Seneca sprach es so aus: NON INVERBIS, SED IN REBUS EST – "die Philosophie lehrt tun, nicht reden".
Dass die Welt von Gott erschaffen sei, wie es das monotheistische Judentum und später in noch stärkerem Maß das dogmatische, ja tyrannische Christentum, mit der ausbeuterischen Logik, "Machet euch die Erde untertan", kam den Römern nicht in den Sinn. Das Römische Reich war ein Eroberungs und Verwaltungsstaat. Die Natur sahen sie auf gewisse Weise als göttlich an und der Mensch war Teil dieser Natur aber keine Kreatur. Dies in einem heidnisch,
erdhaften Sinn. Weder Griechen noch Römer kannten das knechtische Kreaturgefühl des Christentums. Für die Römer, als auch für die Griechen, war es immer der Geist der Götter und Menschen verbindet. Es war das werden und beharren, das fließende und ruhende des Heraklit dem sie nahe standen.
Selbst noch Hegel übernahm 2000 Jahre später einen teil dieser Gedanken des Heraklit.
Goethe sprach es so aus: "Das Ewige regt sich fast in allem, denn alles muss in nichts zerfallen, wenn es im Sein beharren will".
Wohl am gedankentiefsten aber auch am wirklichkeitsfernsten drang der große Platon in die Geheimnisse des Seins vor, als er die Welt von ewigen unveränderlichen Ideen ableitete. Die Dinge sind nur Schatten, Abbilder der ewigen Wesenheiten. Aristoteles holte die Ideen die Plato als "seiende Sein" in die Unendlichkeit verlegt hatte, als "wirkendes Sein" in die Welt zurück. Er dachte logisch, der Begriff eines Dinges, das zugleich sein Wesen darstellt, verwirklicht sich durch die Form in der Materie. Denn die Materie birgt in sich die Möglichkeit zu jeder Form, der Form aber wohnt die den Stoff gestaltende Bewegungskraft inne. Auch Goethe übernahm diese Entelechie des Aristoteles: "geprägte Form, die lebend sich entwickelt".
Heraklit hatte im Werden das Sein erkannt. Aristoteles sieht im Sein das Werden. Da die Dinge der Welt aus dem Möglichen ins Wirkliche verändert wurden, so gehört Verändertwerden oder "Bewegung" zum Wesen alles Geformten. Daraus folgerte Aristoteles:
Es ist etwas, das ewig das Bewegte bewegt und das erste bewegende ist selbst unbewegt.
(der aristotelische "unbewegter Beweger" met. 1012) Allerdings ist dieser Beweger Gott auf keinen Fall ein Schöpfergott im christlichen Sinne. Sondern lassen wir es Seneca aussprechen:
NEC NATURA SINE DEO EST NEC DEUS SINE NATURA. QUID ENIM ALIUD NATURA EST QUAM DEUS? "Weder besteht die Natur ohne Gott noch Gott ohne die Natur. Was ist nämlich die Natur anderes als Gott? Auch Spinoza hat es so gelehrt: die
die Natura Naturans die tätig schöpferische Natur, bringt aus sich selber die Natura Naturata die verwirklichte Natur hervor, die Einzeldinge als Modi der einen Gott – Natur.
Die Naturphilosophie von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling war tief vom Pantheismus
Bachus Spinozas beeinflusst. Schelling ging davon aus das Natur ursprünglich Geist ist, Geist von unserem Geiste; für ihn war Natur und Geist, Reales und Ideales identisch. Wie Spinoza wusste Schelling, dass man Geist und Leben aus der Natur heraus nur verstehen kann, wenn man die Natur, nicht nur als etwas Mechanisches sieht, also als eine Zusammenballung von Atomen betrachtet, sondern als ein wesentlich universelles Ganzes, dessen Wesen und sein geballte Urkraft ist. Die Natur ist fortwährende nie erlöschende Tätigkeit. Sie stellt sich uns in Form eines Absoluten dar, Schelling gliederte dies ungefähr so: er sprach von einer Linie in der das Objektive, das Reale überwiegt (damit meinte er die Natur im engeren Sinne), und eine Linie, in der das Subjektive, das Ideale, überwiegt (Geist und Geschichte). Am Ende der einen Linie steht die Materie als tote Masse, am Ende der anderen Linie steht die vollendete Selbstdarstellung des Geistes in Philosophie und Kunst. Schelling war auch davon überzeugt das die Kunst Teil unserer Mutter Natur ist. Lassen wir Schelling selber sprechen:
"Darum ist die Kunst das wahre und ewige Organon und zugleich Dokument der Philosophie, welches immer und fortwährend aufs neue beurkundet, was die Philosophie äußerlich nicht darstellen kann, nämlich das Bewusstlose im Handeln und Produzieren und seine ursprüngliche Identität mit dem Bewussten. Die Kunst ist eben deswegen dem Philosophen das höchste, weil sie ihm gleichsam das Allerheiligste öffnet, wo in ewiger und ursprünglicher Vereinigung gleichsam in einer Flamme brennt, was in Natur und Geschichte gesondert ist...
Was wir Natur nennen, ist ein Gedicht, das in geheimer, wunderbarer Schrift verschlossen liegt. Doch könnte das Rätsel sich lösen, würden wir die Odyssee des Geistes darin erkennen, der wunderbar getäuscht, sich selber suchend, sich ewig flieht. Denn durch die Sinnenwelt blickt nur wie durch Worte der Sinn, nur wie durch halbdurchsichtigen Nebel das Land der Phantasie, nach dem wir trachten." (Zit. nach Jodl, Gesch. S. 690f.).
Schließen wir diese Betrachtung mit den tiefen weisen Worten die Bachus Spinoza am Schluss seiner Ethik schrieb: "Damit habe ich alles erledigt, was ich über die macht des Geistes über die Affekte und über die Freiheit des Geistes darlegen wollte. Es ergibt sich daraus, wie sehr der Weise dem Unwissenden überlegen ist und wie viel mächtiger er ist als dieser, der nur von den Lüsten getrieben wird. Denn außer dass der Unwissende von äußeren Ursachen auf vielfache Weise umhergetrieben wird und nicht im Besitz der wahren Befriedigung des Gemüts ist, lebt er überdies gleichsam ohne Bewusstsein seiner selbst, Gottes und der Dinge, und sobald er aufhört zu leiden, hört er auf zu sein. Der Weise dagegen, insofern man ihn als solchen betrachtet, wird in seinem Gemüte kaum beunruhigt, sondern seiner selbst, Gottes und der Dinge mit einer gewissen ewigen Notwendigkeit bewusst, hört er niemals auf zu sein und ist immer im Besitz der wahren Befriedigung des Gemüts. Wenn nun auch der von mir gezeigte Weg, der dahin führt, sehr schwierig erscheint, so kann er doch gefunden werden. Etwas, das so selten angetroffen wird, muss allerdings schwierig sein. Denn wenn das heil so bequem wäre und ohne große Mühe gefunden werden könnte, wie wäre es dann möglich, dass es fast von jedermann vernachlässigt wird? Aber alle Herrlichkeit ist ebenso schwierig wie selten."