Montag, 24. September 2012

Der Ort


Als Ort bezeichne ich den Platz an dem ich lebe. In meiner Kindheit und Jugend war dies mein Heimatort. Ein kleines Walddorf ohne Zweifel prägte mich dieser Ort gewaltig.
Jeder kannte jeden, jeder zweite war miteinander verwandt. Der Ort zog mich an und stieß mich ab. Ich liebte ihn und ich hasste ihn. Erst viel später begriff ich das Wort Heimat.
Mir wurde klar das es ein sehr vielschichtiges Wort ist, vor allem ein Begriff der ständig in Entwicklung ist. In den 70 zigern las ich in einem Buch von Allan Watts den mir bedeutsamen Satz :  Egal wo du bist, du bist immer am gleichen Platz !
Mit 26. Jahren verließ ich meinen Heimatort und habe nie wieder die Plätze meiner Kindheit und  Jugend seither aufgesucht. Warum weiß ich nicht, der ort hat sich seither natürlich stark
verändert. In meiner Erinnerung trage ich ihn aber immer noch als meinen kleinen Heimatort
mit mir herum. Mit vielen orten und Landschaften ging es mir so. Ich glaube das ist wie ein geistiges Relikt. Ich bin ein Mensch der Relikten und Ritualen. So brauche ich z.B. keine
große Stereoanlage, ich habe einen kleinen Recorder, denn nenne ich meinen 78 ziger
Cassettenrecorder. Für mich funktioniert er wie ein Zauberstab : Wenn ich eine Casette einlege, also mal Jefferson Airpaine mache ich eine Zeitreise. Ich bin also mit meinem Gefühl in einer anderen Zeit. Zünde ich mir dann noch ein Räucherstäbchen an, stelle meinen kleinen
Buddha daneben und lese ein paar Gedichte von Ginsberg, befinde ich mich in einer ganz anderen Dimension.
Mit solchen Zeitmaschinen, ich nenne sie auch Ausdrucksaltare, bin ich oft unterwegs wenn ich meine Orte aufsuche. Ich habe im meinem Leben viele Orte erfahren. Viele haben mich geprägt mir Kraft gegeben. Einen solchen Kraftort fand ich vor vielen Jahren im Hunsrück.
Mitte der siebziger hielt ich mich längere Zeit in Christianna auf. Dies war ein Stadtteil in Kopenhagen der ganz in der Hand der Alternativszene war. Was also in Amsterdam über die ganze Stadt verbreitet war, fand sich hier gebündelt in einem Stadtteil. Ein Dorf in der Großstadt. Als ich damals Kopenhagen verließ war ich müde und gestresst.
Wieder zu Hause saß ich einige Tage später an einem Sonntagmorgen mit einem Freund
auf einer Bank in meinem Heimatort.
Irgendwann setzten wir uns in sein Auto und fuhren einfach los. Wir hatten kein Ziel vor Augen, wollten einfach irgendwohin. Wir landeten im Hunsrück. Wir fuhren eine Landstrasse entlang. Irgendwann sagte ich zu meinem Begleiter, er möge doch den nächsten Waldweg mal rechts reinfahren. Das tat er auch. Wir kamen in ein wunderschönes Waldtal. Mit einem verwunschenen Wasserlauf, einer Burgruine auf einem kleinen Berg und einem uralten Bauernhof mit einer kleinen Wohnzimmer Kneipe. Man spürte das hier fast nie Menschen vorbeikamen. Wir tranken in dem kleinen Gasthaus einen Wein, der aus dem Wingert stammte, der den Betreibern ( alte Menschen ) des Hofes gehörte. Der Wein schmeckte so herb wie die Landschaft des Hunsrücks. Nachher gingen wir in der Umgebung umher.
Ich wusste sofort hierher, würde ich öfters zurückkehren.
Ich hatte von diesem Ort Besitz ergriffen, oder hatte der Ort von mir Besitz ergriffen. Es erübrigt sich dadurch die Frage wer hier wenn Besitzt. Einige Wochen später, packte ich meinen Rucksack, mein kleines Zelt und fuhr in den Hunsrück. Von dem Dorf aus, wo ich den Zug verließ war es noch eine halbe Stunde Fußmarsch in das kleine Waldtal.
Auf der Wiese neben dem Bachlauf schlug ich das Zelt auf. Am Morgen begrüßte mich immer ein Bussard der Majestätisch über der Ruine seine Kreise zog. Nachts begleitete
ein Waldkauz der in der alten Burg wohnte, mit seinem mystischen Ruf meinen Schlaf.



Ich war Menschenseelen allein. Nur an den Mittagen ging ich zur Kneipe und nahm ein einfaches Mahl zu mir.
Es war einer der schönsten Plätze die ich in meinem Leben kennen gelernt hatte.
Von nun ab fuhr ich zwölf Jahre lang, jedes Jahr wieder an diesen Platz, wo ich mich erholen konnte. Wo ich wie fast an keinem anderen Platz Kraft tanken konnte. Was genau die Magie dieses Ortes ausmacht kann ich nicht sagen. Ich kann nur sagen das er voller Magie ist.
Das ich ihn nie vergessen werde und immer wieder versuchen werde für wenigstens einige Stunden zu ihm zurückzukehren.

hukwa