Sonntag, 23. November 2008

Ich wähle – also bin ich


ein Versuch über Jean Paul Sartre
von Hans Wagner


Sartre mit seiner Lebensgefährtin Simone de Beauvoir

Ich ließ Sartre nie ganz an mich herankommen. Sartres existenzphilosophischer Ansatz, der ja auf dem Atheismus aufbaut ist Welten von meinem Denken entfernt. Dennoch habe ich ihn und seine Philosophie immer respektiert,
er war einer der größten Philosophen seiner Zeit und mit vielem was er geschrieben hat kann ich mich auch identifizieren. Sein Denken über die Verantwortung, aus der man sich nicht entziehen kann, muss jeder logisch denkende Mensch unterschreiben. Obwohl nach meiner Meinung der Existenzialist Sartre wenig an praktischen Rezepten anbietet. so haben doch seine Konzepte von Erfahrung, Authentizität, Konfrontation und sein Bedürfnis nach lebendiger Aktion einen hohen politischen Wert.
Haben, Machen und Sein sind Grundkategorien im Werk von Jean Paul Sartre. "Die erste Bedingung der Tätigkeit ist die Freiheit", schrieb Sartre". Dieses Bewusst – werden (H.W.) der Freiheit des Menschen, durchzieht sein ganzes Werk. Doch ist es eine Freiheit in Verantwortung gelebt. Freiheit nicht nur als Voraussetzung des Handelns, sondern des eigenen Sein selbst. "Person" sein bedeutet ihm sich ständig überschreiten, sich ständig selbst wählen, sich auf der Basis eines Entwurfs – ständig neue Selbstentwürfe vorzubereiten und zu leben.
"Das freie sich entwerfen ist grundlegend, denn es ist mein Sein (...) der grundlegende Entwurf, der ich bin, ist ein Entwurf, der nicht meine Zusammenhänge mit diesem oder jenem besonderen Gegenstand, der Welt betrifft, sondern mein In – der – Welt – Sein als Ganzheit (...). Ich erwähle mir fortwährend (...) weil wir ganz und gar wählend und handelnd sind. (...) Was natürlich nicht bedeuten soll , das ich tun und lassen kann was ich will. Wohin ich auch gehe, ich treffe immer wieder auf Umstände und Hindernisse, die mich einschränken: meine Familie, mein Geld, die Politik usw."
Sartre prägte hierfür den Ausdruck: Situationen. Jede Situation ist ein Konflikt zwischen mir und meinem Hindernis. Allerdings besteht Sartre auf einen äußerst wichtigen Punkt: Für ihn gibt es kein objektives Hindernis, der Mensch ist ja "frei". Es liegt einfach am einzelnen selbst, ob dieser es für überwindbar oder unüberwindbar hält. Er schreibt: "Wir fangen an das paradoxe der Freiheit zu erkennen: es gibt Freiheit nur in Situationen; und es gibt Situationen nur durch Freiheit." Sartre unterstreicht dieses Aussage durch ein einfaches aber extremes Beispiel:
"Sicherlich bin ich ohne meinen Willen geboren worden (was ich persönlich als Metaphysiker anzweifeln möchte H.W.) Was aber meine Geburt und mein Leben für mich bedeuten muss ich jederzeit selbst entscheiden. So wähle ich im gewissen Sinne geboren zu sein."
Sartre versteht es sehr gut den Menschen in die dunklen Abgründe des Seins, ja manchmal des Nihilismus zu ziehen, dabei formuliert er dies auch noch fast naiv wenn wir die Titel seiner bekannten Werke lesen:
"Der Ekel", "das Spiel ist aus". Er hat die Urgründe von Angst und Ungeborgenheit wie fast kein zweiter Philosoph seiner Zeit ausgelotet. "Im zwanzigsten Jahrhundert ist das zeitliche (weitgehend) zerstört: Das Nichts hat keine Ausdehnung mehr. Zum Absurden ist nur ein winziger Schritt, oder: das Nichts ist das absurde."
Aber er macht den Menschen sein Angebot, nämlich die Freiheit zu wählen, dies ist seine Alternative, in einer Welt die sinnlos geworden ist. Für Sartre ist Freiheit auch Last, dies kündigte er in seinem berühmtesten Satz an:
"Der Mensch ist verurteilt , frei zu sein."