Montag, 1. Juni 2009

Zwei universale Genies – Leibnitz und Goethe oder dem Gipfel entgegen

Zu Ausgang des 17.Jh. betritt Gottfried Wilhelm Leibniz die Weltbühne der Philosophie. Noch heute scheint es einem ragt sein Werk wie ein einsames Gebirge aus der flachen Landschaft seiner Zeit heraus. Er hatte Wesen und Zusammenhang von Welt, Mensch und Gott in einheitlicher Gesamtschau neu zu bestimmen gewagt. Die Aufgabe die sich Leibnitz stellte war wahrlich keine einfache, nämlich: "das Vernunftprinzip der ein logisch – mathematischen Evidenz (das der Philosophie des Descartes zugrunde lag) und das kausale Weltgesetz des Mechanismus (auf das Newtons Physik gegründet war) zu bewahren und beides zu vereinen mit dem christlichen Glauben an den persönlichen Gott, den Schöpfer und Erhalter der Welt, an ein ewiges Reich des Geistes und der Geister und mit der spezifisch deutschen Bejahung alles Individuellen und des in unaufhörlicher Verwandlung fortschreitenden Lebens. In seinem Weltbild ist die mechanisch-kausale Struktur des körperlichen und die logisch-mathematische der geistigen Welt streng durchgeführt. Aber von innen her enthüllt sich ihm das Universum als ein allebendiges, monadisch aufgebautes Stufenreich der Geister, von dumpfer, triebbestimmter und kaum bewusster unterster Stufe aufsteigend zu höchster Vernunftklarheit, zur obersten, alles in sich begreifenden Monade, zu Gott, in dem sich Leben, Gesetz und Bestimmung des Ganzen vollendet spiegelt, während es in allen untergeordneten Monaden nur unvollkommen und getrübt erscheint. Körper und Geisteswelt, Innen- und Außenseite des Universums sind in "prästabilierter Harmonie" ebenso aufeinander abgestimmt wie das Verhältnis der unzähligen Monaden zueinander und der ganze aufsteigende Lebensprozess des Geistes und der Geister, in dem sich das Wesen der Gottheit dunkler oder heller widerspiegelt." (Fricke)
"Leibnitz universaler Versuch war nichts geringeres als das sich scheinbar ausschließende miteinander zu Verbinden. Physik und Metaphysik, naturwissenschaftlich-mathematische Notwendigkeit und die Würde der freien Individualität und Personalität, die berufen ist, sich der Welt innewohnenden und sie zugleich unendlich übersteigenden Gottheit Stufenhaft und allbewegt anzunähern – dieser großartige Versuch, der Leibnitz zwischen Nicolaus von Kues und Hegel stellt, drängte ihn zugleich, die getrennten Konfessionen auf höherer Stufe zu vereinigen, sowie den Schöpfer gegen den Vorwurf der Unvollkommenheit seiner Schöpfung zu rechtfertigen (Theodizee)."
In den Bann dieses mächtigen Berggipfels war auch Goethe geraten, als er in seinem Todesjahr 1832 folgenden Brief schrieb: "...der Gedanke an den Tod lässt mich völlig ruhig, denn ich habe die feste Überzeugung, das unser Geist ein Wesen ist ganz unzerstörbarer Natur, es ist ein Fortwirken von Ewigkeit zu Ewigkeit; es ist der Sonne ähnlich, die bloß unserem irdischen Auge unter zu gehen erscheint, die aber eigentlich nie untergeht, sondern unaufhörlich fortleuchtet. – Glaubt ihr ein Sarg könnte mir imponieren? Kein tüchtiger Mensch lässt seiner Brust den Glauben an Unsterblichkeit rauben! – Vom Untergang der höchsten Seelenkräfte kann in der Natur niemals und unter keinen Umständen die Rede sein; so verschwenderisch behandelt sie ihre Kapitalien nie. Was nun die persönliche Fortdauer unserer Seele nach dem Tode betrifft, so steht sie keineswegs mit den vieljährigen Beobachtungen, die ich über die Beschaffenheit unserer aller Wesen in der Natur angestellt, in Widerspruch; im Gegenteil, sie geht sogar aus derselben mit neuer Beweiskraft hervor. Wie viel aber, oder wie wenig von dieser Persönlichkeit verdient, dass es fortdauere, ist eine andere Frage und ein Punkt, denn wir Gott überlassen müssen. – Ich nehme verschiedene Klassen und Rangordnungen der letzten Urbestandteile aller Wesen an, gleichsam der Auffassungspunkt aller Erscheinungen in der Natur, die ich Seelen nennen möchte, weil von ihnen die Beseelung des Ganzen ausgeht, oder noch lieber MONADEN – lassen sie uns immer diesen Leibnizischen Ausdruck beibehalten! Nun sind einige von diesen Monaden oder Anfangspunkten, wie uns die Erfahrung zeigt, so klein, so geringfügig, dass sie sich höchstens nur zu einem untergeordnetem Dienst und Dasein eignen. Andere dagegen sind gar stark und Gewaltig. Die letzten pflegen daher alles, was sich ihnen naht, in ihren Kreis zu reißen und in ein ihnen Angehöriges, das heißt in einen Leib, in eine Pflanze, in ein Tier, oder noch höher herauf in einen Stern zu verwandeln.
Der Moment des Todes, der darum auch sehr gut eine Auflösung heißt, ist eben der, wo die regierende Hauptmonade alle ihre bisher untergebenen ihres treuen Dienstes entlässt. Wie das Entstehen so betrachte ich auch das Vergehen als einen selbstständigen Akt dieser nach ihrem eigentlichen Wesen uns völlig unbekannten Hauptmonas. Nach ihrem irdischen Ableben geht jede Monade dahin wo sie hingehört, ins Wasser, in die Luft, in die Erde, ins Feuer, in die Sterne; ja der geheime Zug, der sie dahin führt, enthält zugleich das Geheimnis ihrer zukünftigen Bestimmung. An eine Vernichtung ist gar nicht zu denken. Wie denn überhaupt, sobald man die Ewigkeit dieses Weltzustandes denkt, sich für Monaden durchaus keine andere Bestimmung annehmen lässt, als dass sie ewig auch ihrerseits an den Freuden der Götter als selig mitschaffende Kräfte Teilnehmen. Das Werden der Schöpfung ist ihnen anvertraut. Gerufen oder ungerufen, sie kommen von selbst auf allen Wegen, von allen Bergen, von allen Meeren, von allen Sternen; wer mag sie aufhalten? Ich bin gewiss schon tausendmal dagewesen und hoffe wohl noch tausendmal wiederzukommen. – Ich habe den Menschen das erste Gespräch genannt, das die Natur mit Gott hält, ich zweifle gar nicht, dass dies Gespräch auf anderen Planeten viel höher, tiefer und verständiger gehalten werden kann.
Wenn man die Leute reden hört, so sollte man fort glauben, sie seinen der Meinung, Gott habe sich seit jener alten Zeit ganz in die Stille zurückgezogen, und der Mensch wäre jetzt ganz auf eigene Füße gestellt und müsse sehen, wie er ohne Gott und sein tägliches unsichtbares Anhauchen zurechtkomme. Gott hat sich nach den bekannten sechs Schöpfungstagen keineswegs zur Ruhe begeben, vielmehr ist er noch fortwährend wirksam, wie am ersten. –
Diese plumpe Welt, aus einfachen Elementen zusammenzusetzen und sie jahraus jahrein in den Strahlen der Sonne rollen zu lassen, hätte ihm sicher wenig Spaß gemacht, wenn er nicht den Plan gehabt hätte, sich auf dieser materiellen Unterlage eine Pflanzschule für eine Welt von Geistern zu gründen. So ist er nun fortwährend in höheren Naturen wirksam, um die geringeren heranzuziehen."

Wer ein wenig mit der Philosophie von Leibnitz und dem dichterischen Werk von Goethe vertraut ist, findet in den Zeilen des Menschen aus Weimar zweifelsohne einen metaphysischen Zuspruch für sein eigenes Denken und Suchen. Goethe hat die Monadenlehre sehr einfach und begrifflich uns wiedergegeben. Dadurch das er diese in seine eigene Biografie miteingebaut hat, schenkt er uns ein wunderbares Stück Lebensphilosophie. Ja, er versieht uns mit einem Halt So sollten wir diese Lehre auch aufnehmen. Leibnitz hat uns dieses große Geschenk gemacht, er hat ein Leben auf dieser Suche verbraucht und die Welt hat ihm dies so gedankt, das man ihn in ein Armengrab warf und niemand an der Beerdigung dieses letzten universal Genies der deutschen teilnahm. Seine Grabinschrift war ein einfaches
OSSA LEIBNITII: des Leibnitz Gebeine.
Für Leibnitz war jegliches selbstständig bestehende Stoffgebilde eine Monade, Dacque schrieb daher zu recht: "Auch die denkbar kleinste materielle Gegebenheit ist irgendwo von innen her "Form", ist Darbietung und Ausdruck schöpferisch einmaliger Kraftäußerung.
Das ist im Gegensatz zur mechanistischen Auffassung geradezu eine lebendige oder sogar Symbolhafte Naturlehre. Entscheidend daran ist nicht, mit welchen Worten man dies sprachlich ausdrückt; entscheidend aber ist es, zu wissen, das es ein hervortreten von Naturerscheinungen gibt, deren Wesen ob sie nun groß oder inframikroskopisch klein sind, nicht das Quantitative ist, sondern ein metaphysischer Kern, eben eine Monade, ein in sich bestehendes Einzigartiges, das sich in seinem Wesen mechanistischer Umschreibung entzieht, sei es ein Atom oder eine Amöbe oder der Mensch. Die Dinge liegen da in einer Weltschicht, die wir mit den mechanistischen oder quantitativen Arbeitswerkzeugen nicht greifen können... Jede Formbildung, jeder Geschehenszug ist schöpferisch, nichts ist Wiederholung... Einzig und allein das, was der Mensch mit der Maschine herstellt, ist durchaus mechanisch und kann Kopie liefern; nicht einmal das Handwerk schafft mechanische Kopie. Es gibt in der Natur, im Weltall überhaupt nur originale monadische Bewirkung; im Unbewussten bei der kleinsten Erscheinung nicht anders wie im Gesamtkosmos, auf höchster Stufe aber im freien Bewusstsein der menschlichen Persönlichkeit."
Durch die gesamte Schöpfungsgeschichte unseres Planeten waren die Monaden schon immer vorhanden. Monaden kommen und gehen, was heißen soll sie inkarniert sich immer von neuem, wenn sie ihre zeit für gekommen sehen. Jede Monade steht in Abhängigkeit zur letzten Monade, zur Großmonade oder dem göttlichen Prinzip. So kann also eine einzelne Monade schon in einer Amöbe, in einem Hominiden, in einem Neandertaler vorhanden gewesen sein, bis sie sich den Menschen für ihre vollste Ausfaltung ausgesucht hat. Hierzu schreibt Dacque: "Denn wenn das Leben der Erde durch die Epochen der Urwelt ein lebendig wachsender Baum war (Baum des Lebens, Anm. H.W.) so konnte es dies nur sein, weil ein zeitlos inneres Ganzes existierte, dessen äußere lebendige Symbole die zu allen erdgeschichtlichen Zeiten erscheinenden Einzelgestalten waren. Es ist das Werden der organischen Natur also nicht eine aufhäufende Vermehrung von "Eigenschaften" und Formen, sondern ein Großmonadisches Werden, ein Schöpferischer Prozess."
hukwa