Freitag, 8. November 2019

Ein altes philosophisches Fragment und intergenerationelle Gerechtigkeit oder zwischen kollektiver Schuld und Klimagerechtigkeit

Foto©UteKW

Das Geschehen in der Natur scheint einen
viel höheren Grad von gesetzlicher Gebundenheit
zu zeigen als in der von uns gedachten Kausalität liegt.“
Albert Einstein



Der Klimawandel wird mit anderen ökologischen Problemen, die von der Menschheit geschaffen wurden, für uns alle zur größten Herausforderung für die nächsten Jahrzehnte und wird somit zur intergenerationellen Gerechtigkeitsfrage.
Dies wirft auch moralische Fragen für den Einzelnen auf: Bin ich als Person moralisch mitverantwortlich für den Klimawandel? Müssen wir alle unseren Beitrag leisten für die Rettung des Planeten oder ist es eine politische Verantwortung? Gibt es eine Kollektivschuld?
Dies sind Fragen die sich jeder selbst stellen muss.



Der wohl erste überlieferte Satz in der Geschichte der Philosophie, lässt sich ökologisch deuten.
Anaximander aus Milet (geb.610 v. Chr.) sagte: „der Ursprung der Dinge ist das Grenzenlose. Woraus sie entstehen, dahin vergehen sie auch mit Notwendigkeit. Denn sie leisten einander Buße und Vergeltung für ihr Unrecht nach der Ordnung der Zeit“.
Anaximander hat hier ein erstes Naturgesetz formuliert. Für ihn herrscht in der Natur eine Art von Gerechtigkeit vor. Jedes Lebewesen das sich aus den Vorräten der Natur bedient, muss diese Entnahme wieder an die Natur zurückgeben. Wasserläufe trocknen aus, während anderswo neue entstehen. Wolken bilden sich, lösen sich auf und hinterlassen Regen für neues Wachstum. Durch Vergehen entsteht immer wieder Neues. Alles was eine Form annimmt, macht nach einer gewissen Zeit einer anderen Form Platz.
Das „Woraus“ die Ursache aller Dinge, hat Anaximander, das apeiron genannt, das Grenzenlose, Unbestimmte und Unerfahrbare aus dem alles Werden in unendlicher Bewegung entsteht durch die Ausscheidung der Gegensätze. Also nicht aus den Elementen geht das Seiende hervor, der Ursprung aller Dinge liegt jenseits im Geistigen. Anaximanders These sagt, dass auch die Naturdinge in einer Rechtsordnung zueinander stehen, soll heißen das sie sich gegenseitig unvermeidlich beeinflussen und voneinander abhängig sind. Dies gilt vor allen Dingen für negative Entwicklungen in unserer Zeit also für die Naturzerstörungen die wir Menschen auf dem Planeten anrichten. Hier finden wir die erste Wurzel des erst zweitausenfünfhundert Jahre später einsetzenden ökologischen Denkens. Auch spricht Anaximander von der Vorstellung einer alles umfassenden Gerechtigkeit in die auch die menschliche Gemeinschaft eingeschlossen ist.
Es ist die in der derzeitigen ökologischen Krise fragwürdig gewordene menschliche Vernunft die Anaximander für uns heute wieder interessant macht. Aus dem Fragment des milesischen Philosophen schimmert uns die Frage nach der Wiederherstellung der uralten Einheit von Natur und Mensch entgegen. Das rationalistische Denken unserer Zeit hat diese Einheit aufs Brutalste zerrissen und wir täten gut daran jetzt noch zu retten was noch zu retten ist.
Unter der Herrschaft eines technisch-mechanischen Denkens und vor allem wissenschaftlichen Forschens (technisches Sein) hat man seit Langem schon den Blick dafür verloren, das in jedem Augenblick das Dasein sich von innen her erneuert.
In diesem Sinne ist es falsch die „Naturdinge“ als Objekte zu sehen, man muss sie als lebenswirkliche Objekte sehen und schauen, als „organisch“. So wurde die Natur auch von Thales, Anaximander und Heraklit gesehen.
Anaximanders These besagt, dass auch die Naturdinge in einer Rechtsordnung zueinander
stehen, das soll heißen dass sie sich gegenseitig unvermeidlich beeinflussen und voneinander abhängig sind.
Wir sind an einem Scheideweg angekommen, in einer Sackgasse wo sich Geschichte und Naturgeschichte treffen und bringen den Planeten bis an den Rand der Instabilität. Was wohl auch heißt das wir Menschen von heute zu einem Sicherheitsrisiko für die noch Ungeborenen geworden sind.
In der Metaphysik die ja philosophisches Geschehen ist gibt es so etwas wie eine „Zeit über der Zeit“, sozusagen eine „zeitlose Zeit“ (Hannah Arendt) in der philosophische Werke entstanden die anscheinend zeitlos gültig sind. Anaximander hat uns ein solches Werk als Fragment hinterlassen.
Nach Hegel war das Mittelalter seiner Substanz nach das „Zeitalter des unglücklichen Bewusstseins“, weil die Menschen sich nach etwas sehnten das in unerreichbarer Ferne lag. Es bleibt zu Hoffen das unsere Epoche das erreicht, was wir jetzt so dringend benötigen: Klimagerechtigkeit!

hukwa


Literaturhinweise:
Hannah Arendt: Wo sind wir wenn wir denken
Hans Wagner: Naturphilosophie:Zeitschrift Runenstein 2008
Hans Wagner: Philosophis Naturalis –Zeitschrift – Runenstein 2008