Donnerstag, 27. November 2008

Energeia – Am – Werke – Sein – oder die Wirklichkeit die mich umgibt


kurze Abhandlung über meine persönliche Philosophie
von Hans Wagner

Wenn ich einen Rückblick über mein Schaffen der letzten dreißig Jahre ziehe, kann ich über eine drei Felderwirtschaft schreiben. Schriftstellerei – Kunst – Philosophie. Immer war mir der Ausdruck wichtig.
Doch am wichtigsten wohl war mir die energeia – das am – Werke – sein. Da mir dieses am Werke sein die Möglichkeit bot in den Abwässern dieser Gesellschaft nicht unter zu gehen. Am – Werk – Sein, heißt auch in einem gewissen Sinn in einer Art Aufstand, einer Aufrichtigkeit zu leben. Aufstand gegen das Genormte, Statische und vor allem Robotische zu der unsere Gesellschaft sich entwickelt hat. Das Schreiben war mir Waffe gegen die Infamitäten einer oberflächlich – konsumorientierte Gesellschaft. Sich schreibend aus dem Labyrinth zu befreien,
eben, das sich – heraus – schreiben aus Lebenssituationen.
Wir sind von vielen Wirklichkeiten umgeben, eine dieser Wirklichkeiten, ich nenne sie gern die erste, ist unsere ökonomisch, konsumorientierte Gesellschaft. Für die meisten Menschen ist diese "erste" Wirklichkeit zugleich die einzige. Der Künstler und Philosoph kennt noch andere Wirklichkeiten, andere Welten und Quellen, woher sonst kommt jene Symbolik die sein Werk interessant macht? Kreativität ist kein Vogel der uns eben mal so zufliegt, sie ist das tägliche am Werk sein.
Die Wirklichkeiten die uns umgeben bestimmen, die Inhalte unseres Denkens, dies ist ein psychologisches Gesetz,
es ist aber vor allem eine philosophische Einsicht. Vor allem die erste Wirklichkeit, mit ihren ökonomisch – gesellschaftlichen Knebel, drängt sich ja ständig an uns heran. Wehe dem Menschen der sich dagegen keinen
Katalysator erschaffen hat, er wird zum modernen Sklaven, zum Abhängigen, von den Medien gelenkten.
Dieser ersten Wirklichkeit ist die Disharmonie inhärent, sie schenkt dem Menschen nur wenige Augenblicke der Harmonie, den sie ist eine große Verführerin. Sie zieht uns in Tiefen hinunter und lässt uns in irreale Höhen schweifen. Um nicht ganz ihr Sklave zu werden muss ich versuchen sie zu benennen. Sie ist ganz Angreiferin aber in dem ich ihre infamen Angriffe erkenne und sie benenne, nehm ich ihr die Wucht des Angriffs, indem ich das Erkannte und dann Benannte aufschreibe, kann ich ordnen und reflektieren. Denn nur in dem ich ordne und hinter her reflektiere, ist mir die Möglichkeit gegeben den Dingen auf den Grund zu gehen.
Sobald sich die Wörter zu Sätzen formen, sobald sie aufgeschrieben sind und somit objektiv vor mir liegen, habe ich eine Stütze und mit der Methode des Denkens kann ich schließlich ans Werk gehen, was bedeutet: Ich arbeite damit – verarbeite!
Wenn man schreibt, schreibt man in der Regel aus Bedürfnissen heraus. Hinter her fühlt man oft eine Erleichterung, dies ist der Hauptsinn des Schreibens. Es ist dies wohl das erste was die ersten Menschen dazu trieb
ihre steinernen Wohnhöhlen zu bemalen. Wenn man diese Malereien betrachtet, spürt man intuitiv es sind gemalte
Ängste und Hoffnungen, gebannte Geister und Dämonen, die sie an den Wänden verewigten.
Durch diese drei Felderwirtschaft von Kunst – Literatur – Philosophie war es mir oft möglich nicht von Situationen verschlungen zu werden sondern über die Situation einen Standort zu finden und von hier aus meinen Standpunkt zu Verteidigen. Der Standort ist wie ein persönliches Gericht, am Standort seinen Standpunkt einzunehmen, bedeutet ein Urteil über die Welt zu fällen. Ich entscheide mich! Ich bin nicht mehr der Situation ausgeliefert, dadurch das ich mich entschieden habe, bin ich zur Einsicht gelangt und aus dieser Einsicht , weiß ich das ich mich verteidigen werde.


Dienstag, 25. November 2008

Gott ist ein Naturgesetz

Über Benedictus Baruch de Spinoza
von Hans Wagner

De natura Rationis est res sub quadam aeternitatis specie percipere -
Es liegt in der Natur der Vernunft, die Dinge unter einem Gesichtspunkt der Ewigkeit zu erfassen.
Baruch Spinoza



Spinoza wurde 1632 in Amsterdam geboren. Er entstammte einer jüdischen Kaufmannsfamilie. Früh überwarf er sich mit seiner jüdischen Kultusgemeinde, geriet auch in Schwierigkeiten mit dem Magistrat seiner Heimatstadt.
Man bezeichnete ihn noch lange nach seinem Tod als Atheisten. Bereits in seiner Jugend hat er dieses schon zu spüren bekommen, ja noch schlimmeres, man hat auf ihn wegen seiner "Irrlehre" sogar einen Mordanschlag verübt.
Bereits mit 24 Jahren wurde er exkommuniziert und mit dem Bannfluch seiner Gemeinde belegt, was sich folgt anhört: "Nach dem Urteil der Engel und der aussage der heiligen, verbannen, verfluchen, verwünschen und verdammen wir Baruch de Espinoza (...). Er sei verflucht bei Tag und verflucht bei Nacht, verflucht sein Hinlegen und verflucht sein aufstehen, verflucht sein gehen und verflucht sein kommen; nimmer möge der Herr ihm vergeben und fortan der Zorn des Herrn und der Eifer Gottes über diesen Menschen kommen und ihn mit allen Flüchen beladen, geschrieben in diesem Buch des Gesetzes (...) Hütet euch: dass niemand mündlich noch schriftlich mit ihm verkehre, niemand ihm die geringste Gunst erweise, niemand unter einem Dach mit ihm wohne,
niemand ihm sich auf vier Ellen nähere, niemand eine von ihm gemachte oder geschriebene Schrift lese."
Nun der Eifer Gottes kam tatsächlich über Spinoza, wenn auch in einem anderen Sinn als seine kleinkarierten, dogmatischen Verfolger sich dies wünschten. Man sollte sich auch einmal vor Augen halten was ein solcher fluch für den jungen Mann in einem Zeitalter des absoluten Glaubens bedeutete. Spinoza war fort an ein Ausgestoßener.
Ausgestoßen wurde er weil er schon sehr früh in seinem Leben die jüdische Glaubensauffassung, ebenso auch die christliche abgelehnt hatte. Nach seiner Verbannung lebte Spinoza sehr zurückgezogen an verschiedenen Orten in Holland. Da die philosophischen Persönlichkeiten schon früh auf ihn aufmerksam wurden, bekam er jedoch öfters besuch von großen Persönlichkeiten des Geistesleben unter anderem von Leibnitz. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich zum Teil durch das Schleifen von Brillengläsern. Er lebte ein stilles, ganz zurückgezogenes leben, ganz der Philosophie hingegeben und lehnte sogar eine Berufung an die Heidelberger Universität ab . Sein System
seiner Ethik besitzt heute noch in der Geisteswelt eine sehr hohe Bedeutung.
"Die kurze Abhandlung von Gott, dem Menschen und seinem Glück" von 1658 gilt als sein Frühwerk. Es folgen "die Abhandlungen über die Verbesserung des Verstandes", die "Abhandlung vom Staat" sowie der "Theologisch-
politische Traktat". Sein Hauptwerk aber ist die "Ethik". Die "Ethik" ist ein schwer zu lesendes Buch doch hat man sich einmal in sie hineingelesen ist sie wahrlich ein Wunderbuch, eines der schönsten und interessantesten Bücher der ganzen Philosophiegeschichte. Spinozas Gotteslehre ist der Pantheismus (pan, alles; theos, Gott; vgl. hierzu den Lehrsatz 15. der Ethik in Buch I "Alles, was ist, ist in Gott, und nichts kann ohne Gott sein, noch begriffen werden.") Im Gegensatz zu den dogmatisch jüdisch – christlichen Gottesbegriff und Lehre ist für ihn Gott und Natur eins, daher sagt er manchmal Gott, manchmal Natur meint aber die eine Ursubstanz. Für Spinoza ist alles Sein in Gott und in allen Dingen regiert die Notwendigkeit der göttlichen All-Natur . Dem entspricht der zweite wichtige Schritt Spinozas , das er die zwei Grundgegebenheiten der Welt, nämlich das körperliche Sein der Dinge, er nennt dies das "Ausgedehnte", und das Denken, mit Gott gleichsetzt. Ausgedehntes und Denken sind die Eigenschaften, er nennt dies "Attribute", oder Daseinsformen (modi) der göttlichen All – Natur. Spinoza war auch davon überzeugt das die menschlichen Leidenschaften z.B. uns daran hindern ein harmonisches Leben zu führen.
Aber wenn wir erkennen können das alles aus Notwendigkeit der Natur, also des Gottes geschieht können wir ein intuitives erkennen über die Natur und ihre, als auch unsere Ganzheit erlangen. Spinoza geht mit seinem Pantheismus so weit das er sagt, das die Natur sich nicht nur in uns befindet uns bewegt, sie denkt uns sogar!
Auch dem "Ewigkeitsgedanken" widmete Spinoza viel Platz in seinen Büchern. "Weil wir um die Ewigkeit wissen, müssen wir auch ewig sein", meint er. Unser Geist ist ewig , weil er schon vor unserer geburt existierte.
"Der menschliche Geist kann mit dem Körper nicht absolut zerstört werden, sondern es bleibt von ihm etwas übrig was ewig ist" (V,23). Spinoza bezieht sich diesbezüglich auf ein "intuitives Wissen" zu dem der Mensch gelangen kann, weil es in jedem Menschen zu Hause ist.
Spinoza war ein großer Gottsucher und wer ihn mit Gefühl liest, der ist irgendwann davon überzeugt das dieser große Philosoph Gott auch gefunden hat.
"Je mehr Vollkommenheit ein Ding hat, desto mehr handelt es, und desto weniger leidet es; und umgekehrt, je mehr es handelt, desto vollkommener ist es".

Montag, 24. November 2008

Von der Seele

von Hans Wagner

Ganz am Anfang wandelten die Seelen durch das Universum. Diese feinstofflichen Elemente wurden magnetisch von der Erde angezogen. In dem sich die Seelen der Erde nähern, werden sie grobstofflicher, ihr feinstofflicher Körper, der sich ja zum Großteil von der ALLSEELE trennt, umhüllt sich mit einem irdischen Mantel, so dass sie im Materiellen gefangen sitzt. Bei ganz wenigen nur, bleibt eine leichte Verbindung zur ALLSEELE bestehen. Diese Verbindjung "ahnen" wir nur. Es ist ein AHNEN von unserer "metaphysischen Urheimat", ganz im Sinne des Wortes "Ahnen", wir ahnen die Urheimat von der wir ja ein Teil sind. Den die vielen Einzelseelen sind teil der ALLSEELE. Beide bedingen einander. Das eine kann unmöglich ohne das andere existieren. Die ganze Verstofflichung der Seele im Irdischen ist eine Erfahrung, die die feinstoffliche Seele machen muss, um ihren Platz in der Hierarchie, jener Wesen, die wiederum die ALLSEELE bilden, zu finden. Je weniger wir nun von der Grobstofflichkeit befallen sind, je höher ist unsere Stellung bei der Rückkehr zur ALLSEELE. Im Materialismus verkarstete Seelen, müssen Hunderte von Erdenleben führen, bis sie wieder jenen feinstofflichen Körper erreichen, den sie einst besaßen. Bekommt die feinstoffliche Seele, während ihrer Umschlingung im Irdischen Mantel, nicht genügend geistige Nahrung, vertrocknet sie und ein erblühen wird immer schwieriger.
Wenn wir an unsere Seele "denken" , ist da nichts, wenn wir versuchen sie zu fühlen, ist da oft ein Gefühl von Mangel, von Unwissenheit, doch diese Unwissenheit ist eine An – Deutung, dass die Seele in uns existiert. Die Quelle in uns bleibt verborgen, doch dem Strom können wir lauschen.
Emerson schrieb über die Seele folgendes: "Alles läuft darauf hinaus zu zeigen, dass die Seele im Menschen kein Organ ist, sondern alle Organe bewegt und in Bewegung hält; das sie keine Funktion ist wie die Gabe der Erinnerung, des Rechnens, des Abwägens, sondern diese als Hände und Füße gebraucht; dass sie keine Fähigkeit sondern ein Licht ist; dass sie nicht der Intellekt oder der Wille ist, sondern Herr über Intellekt und Willen;, dass sie der Hintergrund unseres Daseins ist; in dem all diese ruhen – eine Unermesslichkeit, die nicht im Besitz ist und auch nicht Besitz sein kann. Von innen heraus oder von hinten scheint ein Licht durch uns hindurch auf die Dinge und macht uns bewusst, dass wir nicht sind, dass aber das Licht alles ist".

Es soll sich regend, schaffend handeln,
Erst sich gestalten, dann verwandeln,
Nur scheinbar stehts Momente still.
Das ewige regt sich fort in allen:
Denn alles muss in Nichts zerfallen,
Wenn es im Sein beharren will.
Goethe

Goethe, Emerson und so viele andere, wussten wenn sie über die Seele sprachen, redeten sie über ein URWISSEN der Menschheit. Dieses URWISSEN ist ein instinktives, archetypisches, dennoch natürliches Wissen über die in uns wohnende Seele. In ihr sind auch die moralischen und ethischen Gesetze zu Hause. Kant nannte dies einen "moralischen Imperativ" und prägte den Satz: "Der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir". Wenn wir von den Naturrechten oder den ewigen und unveräußerlichen Menschenrechten, dem moralischen Gesetz in uns sprechen berufen wir uns auf diese Seelengesetz.
Je, stärker ein Mensch ins materielle Dasein verflochten ist, desto entfernter ist sein Abstand zur Seele und somit auch zu Ethik und Moral. Diese Entfernung führt den Menschen in die Verrohung und oft bis zum Verbrechen hin. Viele Probleme in der unsere Gesellschaft heute gefangen ist werden unter diesem Aspekt verständlicher.
Niemand wird daran zweifeln, wenn man sagt das ganze Wesen eines Kindes, gleicht einem Tempel. Das Kind erscheint uns "Seelenhaft", im Laufe der Jahre wird das Reine im Kind durch Erziehung und Gesellschaft, jedoch so verkarstet, das aus dem einst so lieblichen Kind, ein roher Erwachsener wird. Wir erziehen dem Kind seine vorhandenen ideellen Werte ab und ersetzen sie durch materielle Werte und brüsten uns als Eltern damit welch großartige erzieherische Tat wir geleistet haben. Wir zerstören die Verbindjung zur Seele im Kind. Jenes, was die Dichter das "ewige Kind" im Menschen nennen, ist einfach unsere Seele.
Giordana Bruno schrieb folgendes: "Hier werden wir den wahren Weg zur wahren Sittlichkeit finden, werden lernen, hochherzige Verächter aller Dinge zu sein, welche kindisches Dasein hochschätzt und werden größer sein als selbst jene, die der blinde Pöbel als Götter verehrt, als wahrhafte Forscher der Geschichte der Natur, die in uns selber geschrieben steht, und als gehorsame Befolger der göttlichen Gesetze, welche dem Zentrum unseres Herzens eingemeißelt sind".
Die schauende Seele, der geläuterte Mensch also, kann durch seine Seelenschau mit der Gottheit in Verbindung treten. Die Gottheit offenbart sich uns auch in der Natur. Wer lebendig mit der Natur in Verbindung steht, ist der Gottheit nahe. Denn dem der mit der Seele schaut ist der ganze Kosmos ein vielgestaltiger Lebensakkord, eine große Sinfonie mit allen Harmonien und Dissonanzen. Die ewig schauende Seele findet in der gegebenen Natur, die Wirklichkeit des göttlichen. Der kleinste Kiesel, der aus einem großen Sandstein schimmert, trägt das Geheimnis der Gottheit in sich. Es sind nicht die großen Dinge, in denen wir das göttliche suchen sollen, es sind die kleinen, das Lied des Rotkehlchens, die schwere Arbeit des Regenwurms, das Wunder des Ameisenhaufens, hier inkarniert sich das göttliche.
Je mehr Natur versiegelt wird, je stärker sich Städte und Strassen in die Wälder fressen, desto schwieriger wird für viele Menschen die Rückverbindung zu ihrer Seele.
Simone Weil drückte es so aus: "Man sollte sich immer mit dem Universum selbst identifizieren. Alles, was weniger als das Universum ist, ist Leiden unterworfen".
In frühen Erdentagen, muss es wohl so gewesen sein, dass jeder Mensch mit schauender Seele begabt war. Mit der stetig zunehmenden Hinwendung an das materialistische, kapselte der Mensch sich in eine verdichtende Materie ein. Dies bedeutet Gottesferne und Verlust der Seligkeit – also Verlust der Wahrnehmung seiner in ihm wohnenden Seele. Vor diesem Verlust war der Mensch wohl sogar Mittler, zwischen dem Geisterreich und dem Naturreich, vielleicht war er zum Teil mit göttlichen Kräften ausgestattet, woher sonst sollen die Fragmente eines "Goldenen Zeitalters" herstammen. Kräfte die zwar schon in starker Verblassung in einem Platon noch vorhanden waren. Wir wissen ja wie dieser seinem Lehrer Sokrates im Phaidon sprechen lässt. Auch heute noch ist es möglich durch Schulung und Läuterung, zu solch einem Zustand zurückzukehren.
Mit dem platonischen Modell liegt vor uns nicht nur ein Menschen – Modell – ein Staats – Modell – Platon hat ein universelles Modell geschaffen. Ein Modell das im Sinne platonischen Denkens nicht befolgt sein will, sondern fortentwickelt sein will, das uns nicht bindet, sondern ent- bindet. Eine Ent – Bindung, die zur weiteren Ausgestaltung auffordert, ja zur weiteren geistigen Geburt. Also eine Aufforderung, ja Anforderung an den menschlichen Geist: denn wahren Weg einer höheren Lebensführung einzuschlagen, kein nachdenklicher Spaziergang durch die Philosophie, sondern eine Bewusstseinserweiternde, spirituelle Wanderung. Eine Wanderung in Klarheit des Denkens, auf der Suche die Urvorgänge menschlichen Seins aus ihren verwickelten Prozessen zu ergründen und wenn möglich plastisch zu schauen: Zu schauen im Bewusstsein des Metaphysisch Ewigen.


Dieses metaphysisch Ewige, soll der Kompass für unsere Wanderung sein. Denn im Gegensatz zum Positivismus und seinen relativistischen Richtungen, entscheiden wir uns für die Einzigartigkeit der menschlichen Individualität, fern jeglichem Nützlichkeitsprinzip, denn wir sind auf der Suche nach einer geistig – beseelten Welt.
Ob wir vom Modell des Platon oder von der Entelechie eines Aristoteles ausgehen, es bestehen Verbindungen zwischen der Individualität und der Geisteswelt. Das geformte Ich und durch diese Formung das gereifte höhere Selbst, existieren nicht Inselhaft, in der Welt des Bewusstseins, sondern sind durch ihre Struktur, mit der Welt verbunden. Durch diese Verbundenheit mit unserer metaphysischen Heimat, wirken wir mit ethischer Gestaltung auf unsere irdische Existenz ein.
Wir sind geformt von den Urvorgängen, die in uns ihre Wirkung entfalten möchten. Und alles Neue das wir entdecken, sind die erweiternden Elemente dieses Urvorgangs, mit dem unsere Existenz auf ewig verbunden ist. Dieser Urvorgang ist identisch mit dem unbewegten Beweger im aristotelischen Sinne, ebenso wie mit dem Einen des Plotin.
Der URVORGANG wirkt im Menschen als URSTREBEN weiter. Was Aristoteles als unbewegten Beweger bezeichnet, ist ein Modell des Eudoxos von Knidos, des großen Weltdenkers der Antike. Er ging von einem kosmischen Ausblick auf alle Erscheinungen des Lebendigen aus. Er sah, das alles lebendige, in all seinen unterschiedlichen Stufungen und Schichten, von der kleinsten Pflanze bis zum Planeten, lebendiges Wesen inne hat. Alle diese "Dinge", streben nach dem Angenehmen, der Lust, der Freude, der Seeligkeit.
Dieses UR – STREBEN vitaler Kräfte durchwaltet die gesamte Welt, in allen ihren verschiedenen Erscheinungsformen. Es ist das Herz der Welt, das durch sein Pochen alles bewegt und am Leben hält, von der Amöbe über die Qualle, das Säugetier und den Menschen und natürlich über diesen hinaus. Es hat ein einziges Ziel: die Seligkeit, des "leichtlebenden Gottes", den Gott in seinem Wesen, ist nach Eudoxos eben Freude, höchste Lust und Seligkeit. In dieser Seligkeit ruht er, in sich selbst unbewegt, und bewegt durch das auf ihn und seine Seligkeit gerichtete Streben in allen Geschöpfen ihre Seele.

Die Eschatologie befasst sich mit dem Tod und dem Leben danach. Die eschatologische Haltung ist daher etwas Zu – Künftiges, den sie befasst sich mit jenen "Vorleistungen", die wir erbringen müssen um in der Zukunft belohnt zu werden. Die "Eintrittskarte" ins Jenseits, bekommen wir sozusagen, bei unserer irdischen Geburt mitgeliefert. Der Platz, der Ort, denn wir in einer jenseitigen Welt einnehmen, hängt aber von unserer Lebensführung im Diesseits ab.
Diese Eintrittskarte nennen die Taoisten "spirituelles Bewusstsein". Diese spirituelle Bewusstsein besteht schon vor unserer Geburt. Nach der Geburt eines Menschen wird es zunächst verdeckt vom "Jedermannsbewusstsein". Dieses Jedermannsbewusstsein, ist identisch mit dem "Mantel der die Seele" bedeckt. Das Jedermannsbewusstsein ist also der Erfolg einer materialistischen Erziehung. Durch Meditation legen die Taoisten ihr spirituelles Bewusstsein wieder frei und schalten somit das Jedermannsbewusstsein aus.
Das spirituelle Bewusstsein ist ein Teil jener Kraft, die das gesamte Universum durchdringt, es trägt in sich schon den Samen des kosmischen Bewusstseins, durch Übung ist es möglich kosmisches Bewusstsein zu erreichen. Das kosmische Bewusstsein steht in Verbindung mit der Anima Mundi dem Weltgeist.
Wie die menschliche Vernunft ihren Sitz in der Seele des Menschen hat, so gibt es eine "Vernunft der Welt", die ihren Sitz in der "Weltseele", der Anima Mundi hat. Oberflächlich gesehen ist die Anima Mundi ein philosophisches Konzept, das für die Lebenskraft des Universums steht. Plato verteilte die Anima Mundi auf die gesamte Natur. Die Weltseele ist die "Bewegerin der Welt", also vergleichbar mit dem unbeweglichen Beweger. Sie enthält alle "Dinge der Welt" in sich. Sie erkennt alles. Ihr Sinn ist unter anderem die Bewegung als ein Organisierendes und Wirkendes. Die Stoiker gingen davon aus das sie die einzige Kraft ist die dass Universum am Leben hält. Eine Vorstellung von Weltseele wirkt noch bei Hegel in seiner Lehre vom Weltgeist fort. Hegel entwickelte eine Phänomenologie des Geistes und fasst die Denkgeschichte dialektisch als einen geschichtlichen Prozess der Entwicklung des Weltgeistes auf. Diese wir begriffen als die Rückwendung des Absoluten aus seinem Anderssein, der Natur zu sich selbst. Sie konkretisiert sich in drei Erscheinungsformen des menschlichen Geistes: im subjektiven Geist des einzelnen Menschen, im objektiven Geist der menschlichen Gemeinschaftsformen, und im absoluten Geist der Philosophie. Für Hegel hat der Weltgeist etwas veränderliches, er entwickelt sich in einer Art von Evolution. Der Weltgeist von dem Plato spricht ist der selbe wie der von Hegel, aber als Hegel über den Weltgeist nachdachte hatte sich dieser schon weiterentwickelt, was auch heißen soll, auch der Weltgeist zieht sich einen "Mantel" über.
Jeder neue Gedanke, basiert auf einem früheren Gedanken, dieser frühere Gedanke lässt sich
auf spirituelle weise zurückverfolgen bis zum URGEDANKEN, dieser Urgedanke, erreicht uns in seiner neuen, zeitlichen Form, über den Weltgeist. Der Weltgeist wiederum steht in Verbindung, mit einer Art URCHRONIK, auch Akasha – Chronik genannt.



ANNÄHERUNGEN :

Der eigentliche Wesenskern (Selbst – Seele) des Menschen steht im Gegensatz zu dieser Welt des Materiellen und damit auch im Gegensatz zum menschlichen Körper. Dennoch muss auf geistiger Ebene eine Art von Interaktion von Leib und Seele stattfinden. Diese Interaktion ist jedoch nicht körperlich zu orten.
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Das Selbst des Menschen, sein personaler Wesenskern, dieser "Urmensch" in ihm verborgen, ist in der materiellen Welt gefangen, seine Heimat jedoch ist jenseitig. Da nun aber der Mensch diesen personalen Wesenskern besitzt, ist er Kraft dieses Besitzes in der Lage seine Blicke jenseitig zu richten. Dieser "Blick" müsste dann das sein was man bereits in frühesten Zeiten als "geistiges Auge" bezeichnet hat.

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Da nun der personale Wesenskern des Menschen mit dem Jenseitigen in einer Identität steht, ist ja eine Verbindung vorhanden, was heißt, es muss auch Kommunikation möglich sein.
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So gesehen harrt der Mensch auf Erlösung, diese bekommt er durch Erkenntnis mit dem Jenseitigen auf einer Basis des Erahnens – Ahnens – er-ahnt - . Logisch genommen ist also das Selbst, der personale Wesenskern, ein zu Erlösender der zugleich sein eigener Erlöser ist, weil er nicht nur Erkenntnis braucht sondern diese auch aus der jenseitigen Welt empfangen kann.
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Augustinus unterscheidet zwischen Geist und Seele. Er fasst den Geist als eine an der
Vernunft teilhabende Substanz auf, die zur Leitung des Körpers bestimmt ist. Dem Geist kommen wesensmäßig Vernunft (ratio) und Einsicht (intelligentia) zu. Er wird durch die Laster (ritium) geschwächt und muss um seiner Erkenntnisaufgabe gerecht zu werden, durch den Glauben (fides) gereinigt werden.
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Augustinus beschreibt den menschlichen Geist als "Auge der Seele" (geistiges Auge). Diesem ist die Erkenntnis ewiger Wahrheiten durch das "unveränderliche Licht" (lumen incommutabilis) des göttlichen Geistes möglich, das es und das ihr begegnende seiende erleuchtet. Dieses Licht stellt das Innerste des Menschen dar. Die "Wendung" (conversio) des Menschen zu diesem Innersten hin ist für Augustinus – Selbstvollzug des Geistes – und bedeutet die Rückkehr zu seinem eigentlichen Ursprung.
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Dieser augustinische Ursprung ist identisch mit dem was hier als Jenseitig bezeichnet wird. Der Gefangene (im Körper) personale Wesenskern des Menschen sehnt sich nach seiner Heimat, seinem Ursprung. Dieses unbewusste Sehnen des Menschen kann bei ihm zu psychosomatischen Störungen und Depressionen führen, den es haust etwas in ihm das erledigt sein möchte. Was nun Augustinus durch Glauben reinigen will, kann man auch durch das Streben nach Erkenntnis reinigen.
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Aristoteles hat an einer berühmten Stelle seiner Nikomachischen Ethik es so gefasst: es solle der Mensch sein Denken nicht auf das nur menschliche und sterbliche, sondern nach Möglichkeit auf das Unsterbliche richten, weil er in der Vernunft, im Geist ein göttliches, unsterbliches in sich trage, dass an Umfang nur gering sei, an Kraft und Wert aber über alles hinausrage und als unser eigenstes wahres Selbst, in dem der Mensch am meisten Mensch sei, ihm auch die höchste Selbstverwirklichung verbürge.
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Platon und Aristoteles fassen – im Gegensatz zu vielen Vorsokratikern – die Tätigkeit des nous (Geist – Denken) als einen nicht körperlichen Vorgang auf. Dieser kommt nur dem Menschen zu. Zudem unterscheidet Platon explizid auch sinnlich wahrnehmbares von Intelligiblem und vertritt in der Tradition von Parmenides von Elea – sehr deutlich die These, das Wissen nur gegen die sinnliche Wahrnehmung und den Körper möglich sei. Aristoteles definiert nous als "das womit die Seele denkt und Annahmen macht". Er vergleicht den nous, mit einer leeren Schreibtafel aus Wachs. Er ist unaffiziert, unbestimmt, ein passives Vermögen, dessen Natur darin besteht im Aufnehmen der Formen, das aktuell werden zu lassen was er denkt. Er ist auch nicht einem bestimmten Organ zugeordnet sondern körperlos.

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C.G.Jung schreibt: Der Intellekt ist tatsächlich dann ein Schädiger der Seele, wenn er sich vermisst, das Erbe des Geistes antreten zu wollen, wozu er in keiner Hinsicht befähigt ist, denn Geist ist etwas höheres als Intellekt, indem er nicht nur diesen, sondern auch das Gemüt umfasst. Er ist eine Richtung und ein Prinzip des Lebens, das nach übermenschlichen lichten Höhen strebt. C. G. Jung in R. Wilhelm – die goldene Blüte
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Der Intellekt ist etwas ausgebildetes, der Geist etwas das schon immer vorhanden war.
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Es wäre nun also so: Seele zu erfahren, ist nur möglich, als ein tiefes inneres Gefühl, eine unmittelbare Reflektion metaphysischer Erkenntnis, die nicht verbalisiert, dennoch folgenschwer in ihrem Wirken ist.
Es ist unmöglich sie genau zu definieren, denn sie entzieht sich dem Denken. Was wir genaueres über die Seele wissen, ist Echo jener inneren Welten von Mystikern, wie meister Eckhart, die uns gleichzeitig darauf hinweisen das "Seele" nicht beschreibbar ist.
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Philosophische Erkenntnis kann uns einen weg zur Seele weisen, Seele aber erkennen und Fühlen, ist ein Weg der Mystik. Der Neuplatonismus ist eine Methode in der Philosophie und Mystik einander sich nähern im Sinne des "Einen".
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Wenn der Mensch seinen Bezug zur Seele verliert, hört er auf als Mensch zu existieren, er lebt sozusagen ein leben aus zweiter Hand. Er verliert sämtliche humanistische Ideale. Denn das Wesen des Menschseins ist die Erkenntnis des geistigen hinter der Erscheinung. Allein die Seele nicht der psychosomatische Organismus des Menschen kommt der Existenz des geistigen und seelischen nahe, bis hin zur Identität.
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Philosophische Erkenntnis, kann uns einen Weg zur Seele weisen, Seele aber, Erkennen und Fühlen, wird letztendlich immer ein Weg der Mystik bleiben. Der Neuplatonismus hat es fertiggebracht, die Verschmelzung zwischen Philosophie und Mystik, als Methode das
"Eine" zu suchen. ---

Sonntag, 23. November 2008

Ich wähle – also bin ich


ein Versuch über Jean Paul Sartre
von Hans Wagner


Sartre mit seiner Lebensgefährtin Simone de Beauvoir

Ich ließ Sartre nie ganz an mich herankommen. Sartres existenzphilosophischer Ansatz, der ja auf dem Atheismus aufbaut ist Welten von meinem Denken entfernt. Dennoch habe ich ihn und seine Philosophie immer respektiert,
er war einer der größten Philosophen seiner Zeit und mit vielem was er geschrieben hat kann ich mich auch identifizieren. Sein Denken über die Verantwortung, aus der man sich nicht entziehen kann, muss jeder logisch denkende Mensch unterschreiben. Obwohl nach meiner Meinung der Existenzialist Sartre wenig an praktischen Rezepten anbietet. so haben doch seine Konzepte von Erfahrung, Authentizität, Konfrontation und sein Bedürfnis nach lebendiger Aktion einen hohen politischen Wert.
Haben, Machen und Sein sind Grundkategorien im Werk von Jean Paul Sartre. "Die erste Bedingung der Tätigkeit ist die Freiheit", schrieb Sartre". Dieses Bewusst – werden (H.W.) der Freiheit des Menschen, durchzieht sein ganzes Werk. Doch ist es eine Freiheit in Verantwortung gelebt. Freiheit nicht nur als Voraussetzung des Handelns, sondern des eigenen Sein selbst. "Person" sein bedeutet ihm sich ständig überschreiten, sich ständig selbst wählen, sich auf der Basis eines Entwurfs – ständig neue Selbstentwürfe vorzubereiten und zu leben.
"Das freie sich entwerfen ist grundlegend, denn es ist mein Sein (...) der grundlegende Entwurf, der ich bin, ist ein Entwurf, der nicht meine Zusammenhänge mit diesem oder jenem besonderen Gegenstand, der Welt betrifft, sondern mein In – der – Welt – Sein als Ganzheit (...). Ich erwähle mir fortwährend (...) weil wir ganz und gar wählend und handelnd sind. (...) Was natürlich nicht bedeuten soll , das ich tun und lassen kann was ich will. Wohin ich auch gehe, ich treffe immer wieder auf Umstände und Hindernisse, die mich einschränken: meine Familie, mein Geld, die Politik usw."
Sartre prägte hierfür den Ausdruck: Situationen. Jede Situation ist ein Konflikt zwischen mir und meinem Hindernis. Allerdings besteht Sartre auf einen äußerst wichtigen Punkt: Für ihn gibt es kein objektives Hindernis, der Mensch ist ja "frei". Es liegt einfach am einzelnen selbst, ob dieser es für überwindbar oder unüberwindbar hält. Er schreibt: "Wir fangen an das paradoxe der Freiheit zu erkennen: es gibt Freiheit nur in Situationen; und es gibt Situationen nur durch Freiheit." Sartre unterstreicht dieses Aussage durch ein einfaches aber extremes Beispiel:
"Sicherlich bin ich ohne meinen Willen geboren worden (was ich persönlich als Metaphysiker anzweifeln möchte H.W.) Was aber meine Geburt und mein Leben für mich bedeuten muss ich jederzeit selbst entscheiden. So wähle ich im gewissen Sinne geboren zu sein."
Sartre versteht es sehr gut den Menschen in die dunklen Abgründe des Seins, ja manchmal des Nihilismus zu ziehen, dabei formuliert er dies auch noch fast naiv wenn wir die Titel seiner bekannten Werke lesen:
"Der Ekel", "das Spiel ist aus". Er hat die Urgründe von Angst und Ungeborgenheit wie fast kein zweiter Philosoph seiner Zeit ausgelotet. "Im zwanzigsten Jahrhundert ist das zeitliche (weitgehend) zerstört: Das Nichts hat keine Ausdehnung mehr. Zum Absurden ist nur ein winziger Schritt, oder: das Nichts ist das absurde."
Aber er macht den Menschen sein Angebot, nämlich die Freiheit zu wählen, dies ist seine Alternative, in einer Welt die sinnlos geworden ist. Für Sartre ist Freiheit auch Last, dies kündigte er in seinem berühmtesten Satz an:
"Der Mensch ist verurteilt , frei zu sein."

Freitag, 21. November 2008

"Schwätzt vom Himmel- Ihr entweiht die Erde!"

Ein Essay über Henry David Thoreau von Hans Wagner

Die Schönheit der Wälder Neuenglands haben Henry David Thoreau in einen wahren Rauschzustand des Schreibens versetzt. Dieser Zustand eines kosmischen Bewusstseins gipfelt in Thoreaus Hauptwerk „Walden or the Life in Woods“ das man zweifelsohne zu den Grundbüchern der Menschheit rechnen kann. Ebenso wichtig wurden seine drei Wanderfahrten durch die Wälder von Maine (1846, 1853, 1857). Seine Berichte über diese Unternehmungen in den „Maine Woods“ gehören zu den unvergänglichen Predigten über den Wald.
„Hier hatte Natur etwas Wildes und Entsetzliches, aber auch eine herrliche Schönheit. Mit Ehrfurcht betrachtete ich den Boden, auf den ich trat; welche Mächte mochten ihn geschaffen haben, seine Form und Gestalt; welche Stoffe mögen sie zu ihrem werk gebraucht haben? Das war die Erde, von deren Geburt man uns erzählt hatte, gewoben aus Chaos und Urmacht. Niemals gab es hier einen menschlichen Garten, nur unberührte Erde. Niemals gab es hier Rasen, Weide, Gehölz, Brache, Acker und Wüstenei. Hier war immer die frische und natürliche Haut der Erde, für Ewigkeiten geschaffen.“
Nur die alte Menschheit passt zu dem Planeten. „Die Erde war ein Ort für Heidentum und Aberglauben; sie wurde bewohnt von Menschen, die den Felsen und Wildtieren näher verwandt waren als wir“. Thoreau dessen Blockhütte „an einer entlegenen, ewig jungen, jungfräulichen Stätte des Universums lag“, war überzeugt davon, dass die Natur keinen Einwohner hatte, der sie zu würdigen wisse.

Es ist die Urmelodie der Natur die uns Thoreau vorsummt: „Ich bin nicht einsamer als eine einzelne Königskerze, als ein Löwenzahn auf dem Wiesengrund, als ein Bohnenblatt. Als Sauerampfer, Pferdefliege oder Hummel. Ich bin nicht einsamer als der Mühlenbach, der Wetterhahn, der Nordstern, der Südwind oder ein Aprilschauer, ein Tautag im Januar, nicht einsamer als die Spinne im neuen Haus“.
Am 4.Juli 1845, dem Nationalfeiertag, bezieht Thoreau solch ein neues Haus. Eine selbstgebaute Blockhütte auf einem Grundstück am Waldensee das ihm sein Freund der amerikanische Philosoph und Transzendentalist Ralph Waldo Emmerson zur Verfügung stellte. Die wohl einzige verwirklichte Sozialutopie der Menschheitsgeschichte nahm hier ihren Anfang. Thoreau bewohnte seine Hütte mit kleinen Unterbrechungen bis zum 6.September 1847. Seit Platon in seinem Staat den Träumen vom goldenen Zeitalter und von idealen Gesellschaften zum ersten mal eine literarische Form gab, folgten viele Utopien, doch keine wurde letztendlich auch umgesetzt, außer Thoreaus „Walden oder Leben in den Wäldern“.
Wer die Geschichte der Utopien von Platon, Plutarch, Aristophanes bis hin zu Morus, Bacon und Bellamy, etwas kennt, der weiß das es zwei Hauptrichtungen des utopischen Denkens gibt: Die eine sucht das Glück der Menschheit im materiellen Wohlstand, dem Aufgehen der menschlichen Individualität in die Gruppe und der Größe des Staates. Die andere fordert zwar auch ein gewisses Maß an materieller Bequemlichkeit, betrachtet aber das Glück als ein Ergebnis der freien Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit, die nicht einem willkürlichen Moralkodex oder den Interessen des Staates geopfert werden darf. Hierhin gehört „Walden“.

Emerson schrieb einmal treffend über Thoreau: „Er zog es vor, reich zu sein, in dem er seine Bedürfnisse beschränkte“. Thoreau selbst drückte es so aus: „Die bemitleidenswerteste Klasse sind die Menschen, die Geld angehäuft haben und nichts Besseres damit anzufangen wissen, als neues Geld aufzuhäufen…“.
Für Thoreau gab es keine Kirche, keine Partei er war Vertreter einer pantheistischen Naturreligion und deren erster Hohepriester. Er nannte sich selbst einmal „selbstangestellter Inspektor der Schneestürme und Regenschauer“. Und es war zweifelsohne diese Bedürfnislosigkeit, die er Zeit seines Lebens auch lebte, die ihm genügend Muse schenkte, ein Leben ganz der Natur gewidmet, in einer universellen Dimension auch praktisch zu Leben.
„Home cosmography“ betreibe er. Um die Wunder der Natur zu entdecken, brauche man keine Expeditionen in unerforschte Gegenden der Erde zu unternehmen, sondern könne sich mit der Hinwendung an die Fauna und Flora der eigenen Heimat begnügen – nicht weil dies bequemer und billiger sei, sondern weil das unermessliche Wunder des ganzen Kosmos in der geringsten Naturerscheinung präsent und erfahrbar sei. Thoreau der in einem kleinen Städtchen Weltliteratur schrieb und in den Wäldern von Concord Kosmologie betrieb, wird erst richtig verstehbar, wenn man sich auch ein wenig mit dem Neu- England Transzendentalismus auskennt, der ja seine Lebensphilosophie entscheidend geprägt hat.
„Die Natur, so hatte sein Lehrmeister Emerson in dem wegweisenden Essay gesagt ist die Offenbarung des immateriellen Seinsgrundes, der Allseele . Diese Auffassung hatte Emerson vor allem unter dem Einfluss der sogenannten Korrespondenzlehre Emanuel Swedenborgs entwickelt, wonach jedes Naturphänomen symbolisch eine exakt bestimmbare spirituelle Botschaft verkündet. Weil sich theologisch gesprochen nach transzendentalistischer Überzeugung in der Natur Gott oder die Göttin selbst immer wieder neu offenbart, wird die Erforschung der Natur zur Entdeckung des göttlichen Urgrundes und – da jede menschliche Seele ein Teil der Allseele ist – zugleich zur Erkundung des geistigen Wesenskern des Menschen. Daher hatte Emerson die These vertreten: „Die alte Aufforderung >Erkenne dich selbst!> und die moderne Aufforderung >Erforsche die Natur!> konvergieren letztlich zu derselben Maxime.
„Der Lehm im Hohlweg schmilzt und fließt, in der Sonne glänzend, herab. Ich bin es der da taut…“.
Wenn Thoreau Natur sagt, spricht er gleichzeitig auch vom Mythos, er dichtete als Erdgeist, die Erde als Schauplatz allen Geschehens. Thoreau trennt nie wie der Naturwissenschaftler zwischen Subjekt und Objekt, er schmilzt förmlich in der Natura naturans der Mutternatur.
Tief ist diese schaffende All – Natur in ihm verankert: „Ich lebe am Rande einer Welt, in die ich gelegentlich kurze Raubzüge unternehme, und meine Vaterlandsliebe, meine Bindung an den Staat, auf dessen Territorium ich mich danach wieder zurückziehe, ist die eines Strauchdiebes. Um ein Leben zu erlangen, das ich als natürlich bezeichnen könnte, würde ich sogar einem Irrlicht durch schreckliche Sümpfe und Moore folgen, aber weder der Mond noch ein Glühwürmchen haben mir je den Weg dorthin gewiesen. Die Natur ist ein so riesiges und allumfassendes Wesen, dass wir ihr Antlitz nicht einmal ansatzweise erkennen können.“

Philosophieren mit Kindern




Philosophieren mit Kindern
ein Referat von Hans Wagner

Wir schulden den Kindern von Heute und Morgen Verantwortung und Mitverantwortung. Es ist doch so das die Entfaltungskräfte und Kreativität vieler Kinder an der geisttötenden Armut zerbrechen die wir ihnen täglich servieren. Kindheit an sich ist abhängig von der jeweiligen Zeit und ihren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Misshandlungen und Gewalt, Scheidungen und Sorgerechtstreitigkeiten sind nur ein kleiner Teil von Problematiken die wir Erwachsene auf unsere Kinder übertragen. Damit Kinder ein autonomes Selbst entwickeln können, brauchen sie uns zum Reden, sie brauchen uns zum Zuhören, zum Vorlesen, zum spielen, zum Lernen, sie brauchen also unsere ZEIT. Vor allem für den Erwerb grundlegender Fertigkeiten. Diese Fertigkeiten sind die Basis für künftiges Lernen und die Profilierung der Persönlichkeit. Dazu gehören Vertrauen, Eigeninitiative, Anstrengungsbereitschaft, Selbstverantwortung, Ausdauer, Anteilnahme, Teamgeist, Wagemut und Neugier. Diese Fertigkeiten bilden zugleich den Grundstein für die wichtige Selbstachtung des Kindes, sowie die moralischen, ethischen und geistigen Regeln, die uns durch das weitere leben begleiten.
Hier sollten wir auch von vorneherein Kritik an Verwaltung und Staat üben, dass dieser mehr Flexibilität, mehr Eigendynamik, mehr Ideenreichtum und mehr Bereitschaft zur Selbstkritik entwickelt.
So trägt PRAKTISCHES PHILOSOPHIEREN MIT KINDERN natürlich auch zur verstärkten Werteerziehung im Elternhaus, Schule und Gesellschaft bei.
Hier sei nun die Frage gestattet – Was ist Philosophie eigentlich: vom Begriff her heißt Philosophie ( griech. philosophia ) soviel wie Liebe zur Weisheit oder Freund der Einsicht
( von griech. philia, Liebe oder philos, Freund, und sophia, Tüchtigkeit, Einsicht, Weisheit )
Eine allgemein anerkannte Definition des Wortes Philosophie gibt es nicht.
Philosophie lässt sich als Lehre oder Theorie, andererseits als die besondere Lebensweise oder Tätigkeit des Philosophierenden auffassen. Da die Philosophie – wie auch andere Gebiete z. B. Religion und Kunst – viel zu oft von Fachleuten und von Laien, zum Selbstzweck gemacht wird, d.h. zum Broterwerb, zur Unterhaltung oder auch zur Droge, sei hier noch einmal an den eigentlichen Zweck derselben erinnert, nämlich an die Liebe
zur Weisheit : " Nicht im abstrakten Wissen, sondern in der richtigen und tiefen Auffassung der Welt liegt die Quelle wahrer Weisheit... Weisheit ist die Vollendete, richtige Erkenntnis der Dinge, im Ganzen und Allgemeinen, die den Menschen so völlig durchdrungen hat, Daß sie nun auch in seinem Handeln hervortritt, indem sie sein Tun überall leitet " , so Arthur Schopenhauer. " Weisheit theoretisch betrachtet, ist die Erkenntnis des höchsten Gutes und praktisch die Angemessenheit des Willens zum höchsten Gut." ( Kant ). Im Gegensatz zur Klugheit lässt sich die Weisheit in ihren Zwecken von hohen weiten Ideen bestimmen, nicht durch die äußeren Umstände und die Forderungen des Augenblicks; im Gegensatz zur Torheit wählt sie zur Erreichung ihrer Zwecke die geeignete Mittel.
" Der Weg zur Weisheit, wenn er gesichert und nicht ungangbar oder irreleitend sein soll, muss bei uns Menschen unvermeintlich durch die Wissenschaft gehen," so Immanuel Kant, wobei er wohl nicht unbedingt die professionelle Wissenschaft meinte, denn er sagte sehr pragmatisch: " MAN KANN KEINE PHILOSOPHIE, WOHL ABER PHILOSOPHIEREN LERNEN."
Diesen Aussage kennzeichnet wesentliches und eröffnet das Verständnis für die Philosophie mit Kindern. Heute kommt es in Anbetracht zunehmender Information mehr den je, darauf an selbständig zu Denken und zu Hinterfragen, anstatt bereits Gedachtes auswendig zu Lernen.

Albert Schweitzer sagte einmal : " Wahrhaftigkeit ist das Fundament des geistigen Lebens. Durch seine Geringschätzung des Denkens hat unser Geschlecht denn Sinn für Wahrhaftigkeit und mit ihm auch für die Wahrheit verloren. Darum ist ihm nur dadurch zu helfen, das man es wieder auf den Weg des Denkens bringt. Es wird unbegreiflich bleiben, dass unser durch Errungenschaften des Wissens und Könnens, so groß gewordenes Geschlecht so herunterkommen konnte, auf das Denken zu verzichten. Die Philosophie gab den Zusammenhang mit dem im Menschen natürlich vorhandenen Suchen nach Weltanschauung preis und wurde zu einer Wissenschaft von der Geschichte der Philosophie. Das geistige und materielle Elend, den sich unsere Menschheit durch den Verzicht auf das denken und die aus dem Denken kommende Ideale ausliefert, stelle ich mir in seiner ganzen Größe vor. Als unverlierbaren Kinderglauben habe ich mir den an die Wahrheit bewahrt. Ich bin der Zuversicht, das der aus Wahrheit kommende Geist stärker ist als die Macht der Verhältnisse. Finde ich Menschen, die sich gegen den Geist der Gedankenlosigkeit auflehnen und als Persönlichkeiten lauter und tief genug sind, das die Ideale ethischen Fortschritts als Kraft von ihnen ausgehen können, so hebt ein Wirkrn des Geistes an, das Vermögend ist, eine neue Gesittung in der Menschheit hervorzubringen. Weil ich an die Kraft des Geistes und der Wahrheit vertraue, glaube ich an die Zukunft der Menschheit."
In unserer Zeit zunehmender Krisen durch menschliches Versagen, einer allgemeinen Desorientierung und Orientierungslosigkeit und einem immer deutlich werdenderem Verlust an Menschlichkeit erscheint es Sinnvoll und Not – wendig, mehr als bisher eine innere Stabilität des Menschen zu fördern und neben dem obligaten Wirtschaftswachstum auf Kosten der Armen, auch ein Wachstum an Menschlichkeit anzustreben. Hierzu könnte das PHILOSOPHIEREN MIT KINDERN ganz sicher grundlegendes Beitragen. Es könnte dazu Beitragen, den durch die Medien unterstützten, gesellschaftlichen Einfluss zur Ablenkung vom Wesentlichen, zur Entfremdung von sich selbst und von der Natur, durch immer mehr Konsum, Mobilität, Action und billiger Unterhaltung zu verringern.
Die Selbstachtung, das Selbstwertgefühl, die Selbsteinschätzung, die Selbstkontrolle sind nur wichtige Voraussetzungen für darauf aufbauende Werte im Kinderleben, sondern bilden auch das Fundament der Persönlichkeitsbildung. Friedrich Schiller sagte sinngemäß:
" Es ist nicht da draußen, da sucht es der Tor. Es ist in dir du bringst es ewig hervor." Es kann gar nicht früh damit begonnen werden, diese Erkenntnis von der Bedeutung innerer Werte und Fähigkeiten in den Kindern entstehen zu lassen, doch leider wird dies bisher weitgehend versäumt. Kinder werden in den verschiedensten Bereichen immer wieder angehalten, sich vorwiegend nach außen zu orientieren und an das Bestehende anzupassen, statt ihre Eigenständigkeit und Kreativität zu fördern. Zu diesem Problem hat Albert Einstein gesagt: " Was uns der Erfindergeist der Menschen, in den letzten hundert Jahren geschenkt hat, vermöchte das Leben sorglos und glücklich zu gestalten, wenn die organisatorische Entwicklung mit der technischen hätte Schritt halten können. So aber nimmt sich das mühsam Errungene in der Hand unserer Generation aus wie ein Rasiermesser in der Hand eines dreijährigen Kindes. Der Besitz von wunderbaren Produktionsmitteln, brachte nicht Freiheit sondern Sorge und Hunger. "
" Der Widerstand gegen den unbedingt notwendigen Fortschritt liegt in unglücklichen Traditionen der Völker, die durch den Erziehungsapparat wie eine Erbkrankheit von Generation zu Generation fortgeschleppt werden. Es ist, als ob wir mit den Jahren in das Gefängnis von Konventionen und Meinungen, der Verdeckungen und Unbefragtheiten eintreten, wobei wir die Unbefangenheit des Kindes verlieren." ( Karl Jaspers ).
In dem wir Kinder frühzeitig dazu anhalten, selbstständig zu denken, Sachverhalte zu beurteilen und Entscheidungen zu treffen, können wir durchaus einen wichtigen Beitrag zur Prävention bezüglich materieller und auch geistiger Drogen sowie physischer und psychischer Gewalt leisten. Mit einem für Kinder erarbeiteten Zugang zum Philosophieren
ergibt sich die große Chance, von der Basis her mehr Echtheit, Identität und innere Stabilität, in den heranwachsenden Menschen entstehen zu lassen, und dadurch mehr Gerechtigkeit, Frieden und Menschlichkeit in unserer Gesellschaft und Verbundenheit zur Natur zu entwickeln. Das Zurückbleiben der Traditionellen Konfessionen hinter der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung und das daraus resultierende Defizit an innerer Stabilisierung der Menschen ist ein wesentlicher Grund für den verstärkten Erfolg von Sekten, esoterischen und okkulten Gruppierungen. Es wäre zu wünschen das sich nach einer allgemeinen Einführung des Philosophierens mit Kindern bald auch andere wichtige Einzelwissenschaften wie Psychologie und Soziologie für Kinder öffnen würden. Das würde nicht nur für die hier behandelte Zielgruppe nützlich sein, sondern könnte auch den Wissenschaftlern selbst dabei helfen, sich nicht zu sehr auf die Symptombehandlung, zu konzentrieren und in ihrem Elfenbeinturm zu verlieren. Jeder, der sich für seine Mitwelt mitverantwortlich fühlt, kann auf seine Weise dazu beitragen, durch entsprechendes Bekannt machen, Anregen und Unterstützen der Philosophie mit Kindern ein Wachstum an
Menschlichkeit in unserer Gesellschaft zu fördern.
Es war kein anderer als Immanuel Kant, der in seinen Schriften dazu aufforderte, " von seiner Vernunft einen freien und keinen bloß nachahmenden, sozusagen mechanischen Gebrauch zu machen. Dergleichen Menschen können immer nur Kopien von anderen werden, und wären alle von der Art, so würde die Welt ewig auf einer und derselben Stelle bleiben." Und so forderte er – wie Heute in unseren Tagen Joostein Garder, der glaubt, Krieg und Gewalt würden sich weniger oft einstellen, wenn die Menschen nur ein wenig besser Denken gelernt hätten – zum Philosophieren auf. Philosophie ist nun hierbei nicht als die Lehre von Denksystemen, als Sophielogie, als Weisheitswissenschaft angesprochen,
sondern es geht um das philosophieren als Tätigkeit. Also nicht sie Lehre ist das Eigentliche, sondern die Lebenspraxis. Die Erfahrung der Wirklichkeit, setzt das Denken, als Selbstverständlichkeit ja schon voraus. Dies unterscheidet den praktischen Philosophen, vom akademischen Philosophen. In dem der Philosoph, in die Realität der Welt geht, wird er zum Philanthrop, zum Menschenfreund.
Zur praktischen Philosophie stellte Kant drei Bedingungen, die auch emotionale Bereitschaft
Mitmeinen:
1. Selber Denken.
2. Sich jederzeit in die Stelle eines anderen Denken.
3. Mit sich selbst einstimmig Denken.

Auch schon mit kleineren Kindern kann man Philosophieren. Es sind bereits viele kinderphilosophische Gespräche dokumentiert, die nach Piagets Stufenschema
( formal operatives Denken erst ab dem 12. Lebensjahr ) gar nicht möglich gewesen wären. Nach eigenen Erfahrungen muss ich mich der Kritik an Piaget, in diesem Punkt anschließen. Für mich persönlich war es eine Negativ – Erfahrung, als ich einen Kinderphilosophiekurs, dem Schulpsychologischen Dienst einer Großstadt anbot. Der Leiter, ein Diplom – Psychologe, bestand auf Gruppen gleicher Alterstufen. Wichtig ist ja die Integration ins Gruppenleben, was gleich bedeutend mit Gesellschaft ist. Eine menschenwürdige Gesellschaft kann es nur geben, wenn Kinder die gleichen Rechte, wie Erwachsene haben ( selbstverständlich unter Vorbehalt gewisser moralischer Prinzipien, die hier allerdings nicht unbedingt der Erwähnung brauchen ). Wenn wir auf die Straße schauen, auf Kinderspielplätze, sehen wir immer verschiedene Alterstufen zusammen da der zentrale Punkt von Kinderphilosophie, die praktische Tätigkeit von Philosophieren ist,
also zum Beispiel die Erkenntnis, ich lebe nicht allein, der Mensch ist ein Gruppenwesen, ist es ein fataler Fehler, wenn Psychologen Dogmatisch behaupten Kinderphilosophie nur in altersgleichen Gruppen zu praktizieren. Vergessen wir hierbei auch nicht das unsere Psychologie, den Menschen in das Joch der Gesellschaft eingliedern will – die praktische Philosophie hingegen, den Menschen aus diesem Joch befreien will. Psychologie ist ein
Teilgebiet der Philosophie und nicht umgekehrt.

Bereits 1692 empfiehlt der englische Philosoph John Locke, Kinder als vernünftige Wesen zu behandeln: " Vielleicht wird man sich wundern, dass ich vorschlage, mit Kindern etwas vernünftig zu erörtern, und doch kann ich nicht umhin, das für die richtige Art mit Kindern zu verfahren an zu sehen." Schüler und Lehrer, Kinder und Eltern, sollten also wie Sokrates es in seinen Gesprächen vorführt, gemeinsam Suchende und Fragende sein. Hierbei können die Gesprächsführer, den Denkprozess, methodisch unterstützen, auf andere Sichtweisen hinweisen, nach Voraussetzungen und Konsequenzen fragen. Dabei merkt man, das bei Kindern, oft Verstand und Gefühl noch nicht geschieden sind. Was ja auch eine wichtige Voraussetzung für ein Ganzheitliches Denken ist.

Entwicklungspsychologie und Didaktik

Kenntnisse über den Verlauf der kindlichen Entwicklung, können hier unterstützend helfen, so das man Medien und Methoden verwendet, die der kindlichen Sichtweise angemessen sind, aber auch über sie hinausführen können. Auch die Einfühlung in die kindliche Psyche
kann so besser gelingen. Was ja der amerikanische Psychologe Carl Rogers bewiesen hat
indem er ECHTHEIT, EMPATHIE und WERTSCHÄTZUNG zu den Grundfesten seiner Lebensanschauung machte.
Piaget schildert die psychische Entwicklung des Kindes, in dem er ein fast rein individuelles
"Denken" mit einem Minimum an kollektiven (Träumen) aufweist, das zu einer verzerrenden Assimilation des Realen an das Ich führt und eine fast perfekte Form des
"egozentrischen" Denkens darstellt. Kompensation finde im symbolischen Spiel statt: das Kind vervollständigt das Leben mit Hilfe der Fiktion und ist so in der Lage, Konflikte zu meistern. Es handelt sich hier um anschauliches oder "intuitives" Denken, eine prälogische
praktische Intelligenz, die anschaulich und operativ verfährt. Zwischen 7 und 12. Jahren sollen sich die Anfänge der Logik entwickeln, verbunden mit einer Lösung vom sozialen und intellektuellem Egozentrismus, wobei die Erklärungstypen der Kinder den
MYTHOLOGISCHEN NATURDEUTUNGEN der griechischen, vorsokratischen Philosophie gleichen (z.B. atomistische Erklärung von Phänomenen) Intuitionen werden zu Operationen und die somit einen Schlüssel zu einem wesentlichen Teil der geistigen Entwicklung darstellen. Das Kind wird fähig, seinen eigenen Standpunkt zu verlassen und sich selbst aus dem Blickwinkel der anderen zu betrachten. Es folgt eine Organisierung des Willens, damit eine bessere Eingliederung des Ich und wirkungsvollere Beherrschung des Gefühlslebens, so das auch moralische Vorstellungen sich entwickeln können:
Die heteronome Moral und objektive Verantwortlichkeit, die der einseitigen Achtung entstammt, (Piaget) wird so zur Moral des inneren Gesetzes und der subjektiven Verantwortlichkeit, die von der gegenseitigen Achtung herrührt: Äußere Normen werden verinnerlicht, da in Freundschaften z.B. erfahren wird, dass die Gegenseitige Achtung durch Lüge zerstört wird. Aus spontanem und Unbewusstem Egozentrismus wird durch gegenseitige Achtung (z.B. von Freunden) ein Gefühl für Gerechtigkeit- und hier können wir mit einer Werteerziehung anknüpfen- bis schließlich im rationalen Stadium die Gesetze des Verhaltens, ebenso wie des Denkens über die Erfahrung selbst erhoben werden und so einen Allgemeinheitscharakter erhalten.
Der Jugendliche ist nach Piaget ein Individuum, das Systeme und Theorien aufstellt, Interesse auch für unaktuelle Probleme hat, Prinzipien der Weltveränderungen diskutiert, und freie Aktivität des spontanen Überlegens zeigen kann.


Die Entwicklung geht also von einem magisch-mythischen Wirklichkeitsverständnis zu einer Reife, die dann erreicht ist, wenn der "junge Mensch einsieht, das die eigentliche Funktion seiner Überlegungen nicht darin besteht zu Widersprechen, sondern die Erfahrung voranzutreiben und zu interpretieren". (Gabriele Münnix).
Den Vergleich mit dem mythischen Wirklichkeitsverständnis zieht Piaget, da der kindlichen Egozentrik der Anthropozentrismus der frühen Philosophie entspricht.
der Mensch steht auch in dieser Epoche der Geistesgeschichte im Mittelpunkt des
Weltgeschehens, so das sich erweist, das Ontogenese und Phylogenese zu parallelisieren sind. Auch Hegel weist ja in der Phänomenologie darauf hin, das der Einzelne die Geistesgeschichte für sich nachzuvollziehen, die Entwicklung des großen im kleinen zu durchlaufen habe. Eine Entwicklung vom Mythos zum aufklärerischen Denken steckt also auch in jedem von uns, wobei wir nicht behaupten können, unsere angeblich so aufgeklärte Wirklichkeit sei frei von Mythen: Lange Zeit haben wir dem Mythos Fortschritt und Machbarkeit angehangen; der Computer wird mythisch zum Symbol unserer Zeit, und der Glaube an Esoterik nimmt wie wir alle wissen zu.
Cassirer sieht in seinem Buch "das mythische Denken", ganz entsprechend den Mythos
als eine Form der Wirklichkeitsdeutung neben anderen symbolischen Formen, bis hin zur Abstrakt logischen Formelsprache. Im Gegensatz etwa zur Auffassung der Frankfurter Schule wird der Mythos nicht abgewertet und als Vorform des heutigen wissenschaftlichen
Denkens –wie Religion- als überflüssig- da überholt- angesehen da "der Geist darüber hinaus ist". Bei Cassirer stehen alle Formen symbolischer Welterfassung nebeneinander: d.h. auch der Mythos kann seine eigene Wahrheiten enthalten: dem Kind erscheinen "zunächst alle Gestalten des Daseins wie eingehüllt in die Atmosphäre des mythischen Denkens.


"Philosophie ist wenn man trotzdem denkt", so formuliert es Otto Marquard, in seiner Schrift "Skepsis und Zustimmung". Betrachten wir diese Aussage vor dem Hintergrund, der Konsum- und Entfremdungsphänomene, von denen unsere Kinder überschüttet werden, kann es nur von Vorteil sein, Kinder zum frühen kritischen Denken zu erziehen. So schreibt
Gabriele Münnix in der Zeitschrift "engagement" : "Auch schon mit jüngeren Schülern kann man Philosophieren. Nicht nur das hier schon viele kinderphilosophische Gespräche dokumentiert sind, schon Vorschulkinder stellen voller Wissbegierde ganz fundamentale
Fragen mit philosophischer Dimension. Es handelt sich hier um anschauliches oder intuitives "Denken" ungefähr zwischen dem 7. und 12. Lebensjahr sollen sich die Anfänge der Logik entwickeln, verbunden mit einer Lösung vom sozialen und intellektuellen Egozentrismus, wobei die Erklärungstypen der Kinder den mythologischen Naturdeutungen
der griechischen, vorsokratischen Philosophie gleichen."

Wenn wir mit Kindern Philosophieren, ist es ohne Zweifel von Vorteil, sie auf die Ursprünge der Philosophie, also die "alten Griechen" hinzuweisen. Denn die Griechen- was wir im historisch – mythischen Aspekt die "Griechen" und eben die Antike nennen – diese Philosophen, Dichter, Sophisten und Historiker – sind ja teil unserer eigenen Geschichte.
Sie gehören zu unserer ständigen kulturellen Gegenwart.
Professor Dr. Wolfgang Schadewaldt schrieb in seinem Aufsatz "der Gott von Delphi und die Humanitätsidee" folgend: " Das Griechische ist ein konstitutives Element der europäischen und westlichen Zivilisation. Es stellt mit alledem, was in ihm archetypisch, grundlegend gedacht wie geformt ist, neben Römertum und Christentum, das geistige, kategoriale Grundgewebe dar, in dem auch wir – ob bewusst oder unbewusst – noch leben.


Es mag sich im Laufe der weitergehenden Zeit mit vielen und reichen Einschlägen verwirkt haben: das in der Antike "angezettelte" System tragender Hauptfäden geht durch bis auf den heutigen Tag. Die Beschäftigung mit diesem griechisch – antiken Element ist nicht nur eine Aufgabe von hohem geistigen Reiz und ein Weg zu viel Bedeutendem und Schönem."
Philosophie beschäftigt sich mit den wahren wegen der Lebensführung. Mit diesem Weg hat das menschliche Bewusstsein in seiner gesamten höheren Geschichte immer gerungen.

Die tägliche Routine, nicht nur der Erwachsenenwelt, sondern gerade unserer Kinder und Jugendlichen, ist ein Leben auf der Überholspur der gesellschaftlichen Schnellstrassen. Auf den Parkplätzen und in den Böschungen, finden wir die Wracks des von uns so schnell gelobten Lebens. Praktisches philosophieren möchte dazu einladen, einmal anzuhalten, einmal innezuhalten und auszusteigen, auszusteigen um sich selbst gemeinsam mit Kindern immer wieder die sokratische Frage nach dem Sinn des Ddaseins zu stellen.

Literaturhinweise:
Gabriele Münnix – engagement Ausgabe 4. 1996 Aschendorff Verlag
Odo Marquard, Skepsis und Zustimmung, Verlag Reclam Stuttgart
Brunno Bettelheim – Kinder brauchen Märchen Stuttgart
Hans Wagner – Ein Vortrag
Jean Piaget – Das moralische Urteil beim Kinde Suhrkamp Verlag

Philosophie als Heilkunde

Philosophie als Heilkunde
ein Fragment von Hans Wagner

Wenn wir uns in die Werke der großen Philosophen vertiefen, stoßen wir immer wieder auf das gleiche Bild:
der eigentliche Wert liegt nicht in den Gütern, die ja nur eine Zierde des Vergänglichen darstellen, sondern der wirkliche Wert ist jener den sich Seele und Geist selbst am Stoff des Daseins erkämpfen. Philosophisches Denken ist neben der Suche nach fruchtbaren Gründen auch immer Kampf. Goethe beschrieb in seinen Faust die Irrfahrt des ewig nach den Genüsslichkeiten des Lebens Strebenden, der aber zuletzt nichts anderes nach Hause bringt, außer seiner geläuterten Seele. Kant ging schon sehr viel weiter, wenn auch trockener als Goethe, er suchte den Sinn der Sittlichkeit und Moral in keinem weltlichen Tun, sondern in der Reinheit des Willens, der das Gute um des guten willen sucht.
Was für den Philosophen als Suche nach den Urgründen des menschlichen Geistes beginnt, wird in der praktischen Philosophie zur Daseinsgestaltung. Aus den Geistesfrüchten die er findet gestaltet er sein Leben. Eine solche Lebensgestaltung ist keineswegs leicht, denn eine Horde von dümmlichen Geistern, von Robotern und eindimensionalen Menschen, werden sich ihm immer wieder in den Weg stellen. Diese Menschen bilden nun einmal die Mehrheit unserer Gesellschaft und ihre Abwässer beschmutzen auch die Sinne, des nach philosophischer Wahrheit strebenden. Diesen Schmutzwässern, begegnet der praktische Philosoph, in dem er diesen einen Damm entgegensetzt: er benutzt seine Philosophie als Heilmittel gegen die Infamitäten des Lebens.
Die Abwässer schlagen zwar wuchtig an die Mauern, aber sie finden keinen Eingang in das Innerste, das Oratorium bleibt rein. Dieses "Innerste" ist des Philosophen wahre Heimat. Und in diesem Innern bewahrt er seine gesammelten Weisheiten des Lebens auf. Man kann sich Weisheiten anlesen, doch erst wenn wir diese in unserem täglichen Leben praktisch umsetzen können, werden sie uns zur weiterführenden Erfahrung.
Nun wenn der Mensch viele Weisheiten angesammelt hat, müsste er ja ein "Weiser" sein? Ob dem so sei dies sei dahingestellt. Weisheit in dem Sinne wie ich sie meine ist eigentlich nichts anderes als Existenzerhellung. Ein Weg zur Existenzerhellung ist das Leben der praktischen Philosophie, wenn sie sich mit der metaphysischen Wesensart des Menschen beschäftigt. Dies findet seinen Ausdruck am ersten in der Selbstbefragung, die sich in der Gewissensentscheidung vollziehen wird und sich sowohl auf die Verantwortung für die persönliche Welt, als auch auf die Gestaltungen der größeren Daseinsordnungen erstreckt. In dem ich mein tiefstes Wesen befrage, beginne ich mit der Gestaltung meines Daseins. Mit dieser Selbstbefragung, beginnt auch die Freundschaft mit der Philosophie. Die Hinwendung zum philosophischen Denken, zu einem philosophischen Lebenswandel, beginnt immer mit der Befragung des eigenen Selbst. Wir wissen von Plato das er seine "Wächter", nach dem sie ihm die höchsten Schauungen gezeigt hatten, wieder dazu zwang in die "Höhle" zurückzukehren, damit er sich wieder dem Druck der irdischen Realität stellen konnte. Das ist praktische Philosophie, die Welt nicht vergessen und doch seine
metaphysische Heimat zu kennen. Durch eben diese Heimat, kann der Philosoph nie Heimatlos werden, denn über diese Heimat ist seine Seele unlöslich mit den Großen in der Kulturgeschichte hervortretenden Gestalten verbunden.
Man kann soviel Lesen wie man will, es hilft uns zweifelsohne bei der Suche nach Erkenntnis, doch nur das was wir in uns selbst finden, ist auf dem Erkenntnisweg verwertbar. Denn die Erkenntnis, die wir in uns selbst finden
ist für uns etwas wie ein wirklicher Beweis, ein Beweis das der suchende Mensch immer ein "werdender" sein wird.
Ein "werdender" im Sinne Goethes der den Menschen und sein Leben als Metamorphose sah – werde der du bist-

Zeitlos – Gedanken über ein Gedicht von 1780 oder
Nun wollen wir "weitergehen"
von Hans Wagner geschrieben im November 1994 Trippstadt am Sängerhain

Es war im Spätsommer des Jahres 1780. Goethe war die Last des geräuschvollen Hoflebens in Weimar unerträglich geworden. Wohin sollte er sich wenden? Das war ihm jetzt fast gleichgültig. Nur fort von den Stätten, an denen er keine Ruhe und Frieden finden konnte! Fort von den Menschen die ihn nicht verstanden!
Mit zerrissener Seele kam er nach Ilmenau im Thüringer Walde. Aber auch hier wo er sonst so gerne weilte, sich immer wohl gefühlt hatte, fand er die gesuchte Ruhe nicht. Unstet – friedlos irrte er durch die Gegend von Ilmenau.
An einem Spätnachmittag führte ihn der Weg nach einem nah gelegenen Berge – dem Kickelhahn.
Oben auf dem stillen, schön bewaldeten Berg hatte Herzog Karl August ein einfaches Jagdhäuschen bauen lassen, von dessen obersten Stockwerk aus man eine herrliche Aussicht genoss. Goethe weilte acht Tage in diesem Waldhäuschen, das später von Rottannen überragt wurde. Es war in diesen Tagen, an einem unvergesslich schönen Abend, als der Dichter, wieder durch das geöffnete Fenster hinausschaute, weit über den schweigsamen Wald hinweg blickend. Ja, hier war Ruhe und Frieden. Wie er die Stille genoss! Lange stand er dort, das Haupt sinnend gegen das Fensterkreuz gelehnt. Wie Goethe so sann, formte sich in seiner Seele ein Gedicht, ruhig und doch wieder leicht bewegt wie die Abendluft, die über dem schweigenden Wald Herbstwald wallte. Allmählich glätteten wohl sich die finsteren Falten in seinem Gesicht.
Dann nahm er einen Bleistift zur Hand, und während der Dichter das Lied leise sprach, schrieb er es an eine Stelle der Holzwand neben dem Fenster des Jagdhäuschens. "Ein Gleiches". Hoch oben steht der Dichter, auf ragender Bergeskuppe, ringsherum so weit das Auge im Dämmerlichte schweifen kann, erheben sich sanft gerundete Höhen. Sie schmiegen sich an ihre großen Brüder, als suchten sie Schutz für die Nacht. Das Wort Zeit existiert nicht mehr, weder für Berge, Busch noch für den Dichter. Vom Bilde des weiten Bergwaldes gleitet der Blick auf einzelne, den Standort des Dichters umsäumende Stämme. Sinnend haftet das Auge an Ästen und Blättern. Still, halte den Atem an, damit du die Ruhe nicht störst! Es ist egal ob wir das Jahr 1780, 1800, 1900 oder 2000 schreiben. Ruhe!
Goethe verließ den Kickelhahn, vergaß das Gedicht. 51 Jahre später besuchte der Lebensmüde Greis, einen Tag vor seinem 82. Geburtstag mit dem Bergrat J.C.H. Mahr nochmals den Kickelhahn. Man berichtete was Goethe unter anderem damals zu ihm sprach..." Ich habe in früherer Zeit in dieser Stube mit meinem Bedienten im Sommer acht Tage gewohnt und damals einen kleinen Vers hier an die Wand geschrieben. Wohl möchte ich diesen Vers nochmals sehen, und wenn der Tag darunter bemerkt ist, an welchem es geschehen, so haben sie die Güte, mir solchen aufzuzeichnen." Sogleich führte ich an das südliche Fenster der Stube, an welchem linke geschrieben steht:

Über allen Gipfeln ist Ruh,
in allen Wipfeln spürest du
kaum einen Hauch;
Warte nur balde
ruhest du auch.
D. 7. September 1780 Goethe

Goethe überlas diese wenigen Verse, und Tränen flossen über seine Wangen. Ganz langsam zog er sein schneeweißes Taschentuch aus seinem dunkelbraunen Tuchrock, trocknete sich die Tränen und sprach, in sanften, wehmütigen Ton: "Ja warte nur balde ruhest du auch," schwieg eine halbe Minute, sah nochmals durch das Fenster in den düsteren Fichtenwald und wendete sich darauf zu mir mit den Worten: "Nun wollen wir wieder gehen!"

Dieses nenne ich ein reales Weltgedicht und eine Metamorphose !

Abend im Wald am Sängerhain
Hans Wagner 1994

Ich möchte die Tage nicht so dahin leben
ohne ihnen ein kleines Geheimnis abzuringen
wachsam will ich sein
wie der Zaunkönig – dort –
auf dem Sandstein
die Heideröschen blühen wieder
Gott schenkt sie uns als lebende Funken
ein Tag im Wald
rauschende Baumwipfel
ihr Getöse vermengt sich mit dem Gezwitscher der Vögel
Stimmungen zwischen den Sekunden
ich schaue die wilde Rose an
der ganze Busch

ein gefallener Engel.

Donnerstag, 20. November 2008

Am Anfang steht das verwundern

Am Anfang steht das verwundern
Eine Tagebuchaufzeichnung von Hans Wagner

Ich denke wieder philosophisch, ich könnte auch sagen ich bin wieder zu Hause!
Jedes mal wen ich wieder in ihre Gefilde zurückgekehrt bin kommt mir der Satz des Aristoteles in den Sinn:
"Am Anfang der Philosophie steht das verwundern!" Um das philosophische Denken aus dem Unterbewusstsein wieder hervor zu holen beginne ich meistens mit Hegel. Seiner klaren Sprache überlasse ich mich für einige Tage ganz. Auch Hegel beschrieb dieses "nach Hause" kommen:
"Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und vor der Verwüstung rein bewahrt sondern das ihn erträgt
und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet".
In diesem gespaltenen Sein arbeitet sich der Geist durch die Philosophie und irgendwann, kommt er nach Hause. Der Geist kennt nun die Widersprüche des Lebens und er weiß, das alles ist Schein. Nur im Reich der Philosophie
findet der "sich wissende Geist" seine wahre Heimat.

Dubitando enim ad inquisitionem venimus, inquirendo verit atem percipimus – dies war der Wahlspruch von Peter Abelard – ich selbst würde ihn folgt übersetzen: durch den Zweifel nämlich gelangen wir zur Untersuchung, und untersuchend gelangen wir zur Wahrheit.

Durch diese Wahrheit schützen wir uns vor den Infamitäten des Lebens. Die Gefahr besteht das wir ihnen immer wieder verfallen und somit auf einer niederen Stufe des Geistes landen damit sind wir den Verstrickungen dieser Gesellschaft preisgegeben. Für die "Entstrickung", denn erneuten Sprung in ein höheres Bewusstsein zurück, zahlen wir unseren Preis. Das "werde der du bist", ist in einer Zeit absoluter ökonomischer Mentalität äußerst schwer umzusetzen. Dennoch ist es ein geistiges Gesetz, sich auf den Weg zu höheren Bewusstseinssphären zu begeben. Denn – der Mensch ist eine Metamorphose!
Das Tier in uns, jenes dionysische Prinzip fordert seinen Tribut. Es besteht auf seinen Anteil den es an uns besitzt. Geben wir diesem nicht nach kann es ganz schnell passieren, das wir uns in einem Labyrinth wieder finden, aus dem uns nur noch apollonische Lichtkräfte befreien können. Als Mensch steht uns die Entscheidung offen, dem edlen Teil unseres Wesens zu folgen, oder aber dem niederen, infamen Teil. Die "Verstrickung" in den infamen Alltag ist der gordische Knoten, denn es zu entfesseln gilt, dennoch hilft manchmal nur der Schwerthieb um uns vom Mythos von Sisyphus zu befreien. Ich denke das um die wahren Wege der Lebensführung das menschliche Bewusstsein in seiner ganzen Geschichte immer gerungen hat. Und wir werden uns immer wieder der sokratischen Frage stellen müssen. Es scheint mir oft wie eine Erinnerung aus unserer metaphysischen Heimat, als hätte gerade der alte Sokrates zu mir gesprochen. Als sage er für den denkenden Menschen bietet die Philosophie die Möglichkeit, durch Weltorientierung und Existenzerhellung zur tieferen Erkenntnis unseres Selbst zu gelangen um
in der Undurchdringlichkeit des Daseins und seinen Infamitäten einen Halt zu finden.
Dieses "werden" des Menschen muss zugleich auch sein "Sein" sein.

Christian Morgenstern schrieb einmal: "Ich bin wie die Brieftaube, die man vom Urquell der Dinge in ein fernes, fremdes Land getragen hat und dort freigelassen hat. Sie trachtet ihr ganzes Leben nach der einstigen Heimat, ruhelos durchmisst sie das Land nach allen Seiten. Und oft fällt sie zu Boden in ihrer großen Müdigkeit, und man kommt hebt sie auf und pflegt sie und will sie ans Haus gewöhnen. Aber sobald sie die Flügel nun wieder fühlt, fliegt sie von neuem fort, auf die einzige Fahrt, die ihrer Sehnsucht genügt, die unvermeidliche Suche nach dem Ort ihres Ursprunges.

Jeder bewusst lebende Mensch , der etwas abseits der Konsumgewässer lebt, versucht in seinem Leben sich ein eigenes Universum, ja eine eigene Kosmogonie aufzubauen. Dies gehört zum Weg der Erkenntnis dazu. Die menschliche Seele, die Teil hat an der göttlichen Seele, steht immer in Verbindung mit der Unendlichkeit, was bedeutet: sie will Gebären!

Vernunft- ein transzendenter Ordnungsquell

Vernunft – ein transzendenter Ordnungsquell
Hans Wagner

Wie ein Baum der zwei Wachstumsperioden hat, sollte sich auch der Mensch immer vor Bewusstsein halten, das er ebenfalls zwei Wachstumsperioden durchleben kann. Bäume haben ein Frühjahr und Herbstwachstum, dem Menschen der nach der Ganzheit seines Selbst strebt, ergeht es ebenfalls so.
Die jungen Jahre und das mittlere Alter stehen oft ganz im Bann des animalischen und dem Streben nach ökonomischen Sicherheiten. Setzt nun bei einem Menschen, der sich bewusst ist, das in seiner Psyche eine Art transzendenter Ordnungsquell vorhanden ist, der Herbst des Lebens ein, so wird er sich wohl verstärkt auf eine spirituelle Suche begeben. Der transzendente Ordnungsquell ist ja letztendlich nichts anderes als die menschliche Vernunft. Eine Vernunft allerdings nicht gesehen durch die "vernünftige Brille" unserer Konsum – ökonomisch orientierten Spießer Gesellschaft, sondern Vernunft in ihrem wahren philosophischen Sinne: denn wie der Mensch
ein Über – Selbst besitzt, das sein wahrer Wesenskern ist, so gehört zu diesem Kern, eine Art Über – Vernunft, eine Vernunft also, die den Menschen erst zum Menschen macht. Diese philosophische Vernunft ist es ja die uns vom Schein zum Sein gelangen lässt, vom menschlicher Selbstentfremdung zur inneren Einkehr.
Aristoteles hat dies an einer berühmten Stelle seiner Nikomachischen Ethik (Buch 10, 1177, b31 ) folgt gefasst:
"es solle der Mensch sein Denken nicht auf das nur menschliche und sterbliche, sondern nach Möglichkeit auf das Unsterbliche richten, weil er in der VERNUNFT, im Geist ein Göttliches, Unsterbliches in sich trage, das an Umfang nur gering sei, an Kraft und Wert aber über alles hinausrage und als unser eigenstes wahres Selbst, in dem der Mensch am meisten Mensch sei, ihm auch die höchste Selbstverwirklichung verbürge".
Seit es Philosophie gibt philosophieren die Philosophen über Vernunft. Die philosophische Vernunft ist universell.
Die Vernunft ist nicht irgendwann von irgend woher aufgetaucht, sondern sie ist eine Methode zur Erlangung von Einsicht. Nehmen wir als Beispiel die Französische Revolution, die ja für alle Beteiligten sehr grausam war, dennoch kehrten durch diese Revolution auf Dauer in ganz Europa allmählich wenigstens halbwegs bessere Verhältnisse ein. Also war sie vernünftig. Wir sprechen ja auch von einer vernünftigen Natur des Menschen.
Nikolaus von Kues machte den Verstand (ratio) und die Vernunft (intellectus) zu einer Grundsubstanz seines Werkes.
"Die Vernunft ist die Beschreibung der Entstehung des Verstandes und seiner Gesetze, nicht ein höheres mystisches Organ". Die Vernunft also geht zum Vorausliegenden und Verbindenden zurück. Sie kann es nicht erkennen, wohl aber es als Urbild der Abbilder Bestimmen bzw. die unfassbare Wahrheit der göttlichen Ideen darstellen. Damit weiß sie nicht viel, aber sie weiß, was sie wissen kann und was nicht. Sie ist nach Kues, docta
ignorantia – wissende, bewusste, belehrte Unwissenheit.

Naturphilosophie




Naturphilosophie
Von Hans Wagner

Ein Anriss


Naturphilosophie ist die geistige Beschäftigung mit der Natur, somit auch sich Gedanken machen über das Leben selbst. Dadurch geht die Naturphilosophie eine Bindung mit der Metaphysik ein.
Metaphysik ist, die erkenntnistheoretische Betrachtung der inhärenten Innenseite der Natur, also der Gegenpol zur sinnfälligen Außenseite, die ebenso wirklich ist wie die äußerlich sinnfällige. Das Metaphysische ist der verständlich zu erfassende Wesenskern der Dinge, und sofern wir nach reiner Erkenntnis streben, ein nicht minder wichtiges Erkenntnisgebiet wie die uns umgebende sogenannte „Realität“. Versuchen wir doch einmal unser anerzogenes Denken über Natur, zu verlassen. Nun stellen wir uns Natur als etwas „Fließendes, Schaffendes, Tätiges, als natura naturans vor. „Sie hat keine Sprache noch Rede, aber sie schafft Zungen und Herzen durch die sie fühlt und spricht“, schreibt Goethe 1783 in dem Fragment „die Natur“. Und er schreibt weiter:“Natur!
Wir sind von ihr umgeben und umschlungen- unvermögend, aus ihr herauszutreten, und unvermögend tiefer in sie hinein zu kommen. Ungebeten und ungewarnt nimmt sie uns in den Kreislauf ihres Tanzes auf und treibt sich mit uns fort, bis wir ermüdet sind und ihrem Arme entfallen“.
Fügen wir nun noch hinzu: „Und sie schafft einen Geist, durch den sie denkt und zu Bewusstsein kommt“, so sind wir zum Grundgedanken des größten deutschen Naturphilosophen F.W. Schelling vorgestoßen, wie er ihn in seinem System des transzendentalen Idealismus entfaltet: „Das höchste Ziel, sich selbst ganz Objekt zu werden, erreicht die Natur erst durch die höchste und letzte Reflexion, welche nichts anderes als der Mensch, oder, allgemeiner, das ist, was wir Vernunft nennen, durch welche zuerst die Natur vollständig in sich zurückkehrt, und wodurch offenbar wird, dass die Natur ursprünglich identisch ist mit dem, was in uns als Intelligentes und Bewusstes erkannt wird“.
Naturphilosophie untersucht also, was Natur ist und hat dabei immer die Gesamtwirklichkeit im Blickfeld. Der Naturphilosoph sieht die Zusammenhänge in der Natur als Ganzes, was die Naturwissenschaft ablehnt. Man kann es auch so ausdrücken: Die Naturwissenschaften streben nach Ergebnissen, die Naturphilosophie nach Erkenntnis.
Die Romantik ist mit einer schwärmerischen, ja mystischen Naturbetrachtung hervorgetreten.
Der Naturphilosoph dieser Epoche, war der bereits zitierte Schelling. Viele sehen in ihm einen Romantischen Philosophen, vielleicht ist dem so- aber ohne das Erbe der Romantik, wäre unsere Geschichte sehr arm. Auch romantisches Schwärmen ist etwas reales. Mystisches Schwärmen kann zu realen Ergebnissen führen zum Beispiel in der Wissenschaft. Kepler, der die Gesetze der Planetenbewegung nicht etwa schlechthin auf rechnerischem Weg fand, sondern dessen Geist geradezu in mystischer Hingabe aus dem inneren Schauen und Glauben an die Harmonie der göttlichen Gesetze im Weltall zu jener Erkenntnis kam und erst danach sie rechnerisch darzustellen verstand. Auch Einstein kannte solche mystische Momente. Auf solchen Einsichten in das Innere der Natur beruht letzthin alle Naturphilosophie.


Unsere Gesellschaft hat vor langer Zeit ein Monstrum gezeugt. Diesem Monster gab man einen Namen: Intellektueller! Als ob es einen Menschen geben könnte, dessen Wesen auf den reinen Intellekt reduziert werden kann. Der reine Intellekt von der Ganzheit des Menschen getrennt, bedeutet dessen seelischer Tod. Es ist die absolute Verleugnung des unbewussten aus dem letztendlich die Kreativität des Menschen entspringt. Nur ein solch intellektuelles Wesen ist bereit eine Atombombe zu entwickeln.
Man kann viele Beispiele dafür anbringen was passiert wenn Wissenschaft und Philosophie getrennte Wege gehen.
Natürlich unterscheiden sich beide Disziplinen aufs stärkste im Fragepunkt als auch in der Methode.
Der Gegenstand der Naturwissenschaft ist die Natur als messbare Wirklichkeit; Gegenstand der Naturphilosophie ist die Natur in ihren Seinsprinzipien. Während Naturwissenschaften nach dem „Wie“ des Objekts fragen, fragt die Naturphilosophie nach dem Wesen und dem Ursprung der Dinge und nach ihrem Dasein. Die Methode der Naturwissenschaften ist die exakte Objektbeschreibung- und Erfassung, während die Naturphilosophie das logische Schlussverfahren benutzt. Sie begnügt sich also nicht mit einer geordneten Darstellung des Faktischen und mit der bloßen Hinnahme des Gegebenen, sondern fragt weiter nach den letzten Begründungen des Seins, wie es eben die Auggabe und der Sinn aller Philosophie ist.


Deshalb können wir die Natur nur deuten, wenn und soweit unser eigenes Wesen von innen her in lebendigem Bezug zu seinem schöpferisch – kreativen Urgrund steht, der auch aller anderer Naturerscheinungen Urgrund ist. Von dort empfängt es den Sinn seines äußeren Erlebens, von dort erhält unser Bewusstsein seinen Inhalt, also direkt von der „alten Erdmutter“. Aus diesen Tiefen erhält dann alles seine Be- deutung.