Samstag, 13. Juni 2009

Unsichtbare und sichtbare Natur

Der Geist ist die unsichtbare Natur, die Natur ist der sichtbare Geist.
Schelling
Ich werde singen von Gaia, Mutter Erde,
Fest gegründet, Älteste der Gottheiten.
Homer

So lesen wir bei Homer. Ihm war schon der Begriff des Verbundenen, des Zusammenziehenden, des Alles in einander gehenden, wohl bekannt. Eine Sichtweise der vorsokratischen Weisen. Auf dieser Ebene des Denkens, ist die fundamentale, ökologische Erkenntnis jene, das alle Dinge in der Natur aufs engste miteinander verbunden sind. Stellen wir uns die Erde, als ein einziges, evolvierendes System des Lebens vor, dann ist sie der große Mutterorganismus aller Organismen. Dieser Gedanke der großen Mutter war Jahrtausende lang eine Universalphilosophie. Die alte Mutter, ein göttliches Lebewesen mit eigenen Stimmungen und Gefühlen. Kein subjektiv erdachtes Wesen, sondern ein Wesen das objektiv vorhanden ist. Wenn auch im Sinne Heraklits unsichtbar.
Schelling, unser wohl bekanntester deutscher Naturphilosoph, glaubt jede menschliche Handlung ziele bewusst oder unbewusst auf die Realisierung der Gottheit. Ein Widerspruch zwischen dem göttlichen Prinzip und den Menschen beruhe auf Imagination. Das minder Vollkommene sei nur da, weil alle Grade der Perfektion von den allerniedersten bis zu den höchsten im Universum vorhanden sein müssten; das Ziel der Geschichte ist gewiss; die Geschichte selbst ist der Beweis der Göttlichkeit oder eben des göttlichen Prinzips, nämlich Gottes. Dieser Beweis wird sich wahrscheinlich erst am Ende der Geschichte herausstellen doch dieser Gang sei sichergestellt und vorgezeichnet in dem Geist, den höchstes Wissen jetzt schon als den ewigen, allgegenwärtigen kenne.
Was ja bedeuten soll, wir sind vom Göttlichen umgeben und wenn wir die Natur als etwas Göttliches schauen, so ist das Göttliche in uns und wir sind im Göttlichen. Schellings Botschaft lautet folgt: Der Geist ist die Unsichtbare Natur, die Natur ist der sichtbare Geist.
Aber dieses Göttliche bedarf der Pflege, denn es ist uns anvertraut, was heißt das wir bei ihm einkehren müssen, sonst vergessen wir nämlich das wir dieses in uns tragen und werden schnell zu einem Frankensteinmonster, das von sich selbst so eingenommen ist das es glaubt selbst Gott spielen zu können. Genau an diesem Punkt des "Gott spielen" sind wir seit langem schon angekommen. Wenn nun das Ziel der Geschichte der Beweis des Daseins Gottes sein soll, so ist dieser Gedanke von Schelling überhaupt nicht verkehrt. Schelling hat dies in einem positiven Sinn gesehen, sein Zeitgeist war schließlich der Idealismus und die Romantik die in voller Blüte stand. Doch wenn die Entwicklung der Geschichte eben anders verläuft, nämlich in einem negativen Sinn, so kann sie immer noch den Beweis des Daseins von etwas Göttlichem sein, allerdings für den Menschen in einem Sinn der ihm gar nicht behagen wird.
Was heißen soll: Die Entwicklung der menschlichen Rasse ist eine Entwicklung zur Selbstvernichtung hin. Unsere Ökonomie ist außer Kontrolle geraten, dadurch ist das ökologische Gleichgewicht gestört. Da die Menschheit nicht einhält, sondern in ihrem sinnlosen Tun fortfährt, muss es irgendwann zum absoluten Kollaps kommen. Das ist Fakt.
In den nächsten Jahren müssen wir um zu Überleben unsere technologischen und umweltfeindliche Exzesse abbauen und ein symbolisches Leben auf dem Pflanzstock beginnen, um zu retten was noch zu retten ist. Was heißt: Wenn ich nehme muss ich auch geben! Von der Mehrheit wurden Lovelock und Epton überhaupt nicht ernst genommen als sie sagten: "Wir sind sicher, dass der Mensch Gaia braucht, aber könnte Gaia ohne den Menschen auskommen? Im Menschen hat Gaia das Äquivalent eines Zentralnervensystems und ein Bewusstsein von sich selbst und dem Rest des Universums. Durch den Menschen hat sie die rudimentäre, aber entwicklungsfähige Kraft, Bedrohungen ihrer Existenz vorauszusehen und abzuwehren... könnte es also sein, dass der Mensch im Laufe seiner Evolution im Schoße Gaias das Wissen und die Fertigkeit erworben hat, ihr Überleben zu sichern?"
Jedem Mensch der über eine gewisse Bildung verfügt ist klar, das diese Erde, unsere Mutter Erde, ein einziges organisches Geflecht ist, ein universales Lebensmuster. Dies war vielen vor zwanzig Jahren noch nicht bewusst, so wie vielen dies heute nun bewusst ist, sollten wir die Hoffnung haben, das in weiteren zwanzig Jahren den Politikern und "Führern" der Menschheit, endlich bewusst wird, das die Erde, die von den alten Griechen Gaia genannt wurde, ein selbst – bewusstes Wesen ist. Sie hat Geist, sie hat Intelligenz!
In seiner unermesslichen Gier wühlt der Mensch die Erde nach ihren Rohstoffen durch. Beraubt sie ihrer in Jahrmillionen angesammelten Schatztruhen. Bald wird es kein Erdöl mehr geben, weil die Menschen nicht haushalten können. Und so wird es mit vielem sein.
Gaia ist in ihren Strukturen zyklisch, dieses Prinzip hat uns vor über 2500 Jahren Heraklit deutlich erklärt: "Gemeinsam ist Anfang und Ende beim Kreisumfang". Als panta rhei – alles fließt – wurde dieses Prinzip auf seine Formel gebracht. Dem Pöbel, den "Vielen", wie Heraklit sie nennt, bleibt das allerdings verborgen.
Nun: es ist ein Unterschied ob ein Dichter oder Denker solches verkündet. Der Dichter spricht es aus als eine Offenbarung des Augenblicks, als Prophetie. Der Denker erhebt den Anspruch etwas schlechthin Gültiges auszusagen. Daher steht der Denker immer im Mittelpunkt der Kritik. Der Dichter holt seine Erkenntnis aus seinen eigenen Tiefen, aber auch aus dem direkten Erleben und Empfinden seiner Umgebung. Aus einer universalen Sphäre die dem Wissenschaftler anscheinend nicht zugänglich ist. Wenn wir die Gedichte von Wordswort lesen müssen wir gerade zu von einem telepathischen Einfluss Gaias auf den Menschen ausgehen:
"Jeder natürlichen Form, Fels, Frucht oder Blume,
Sogar den losen Steinen auf der Landstrasse
Gab ich geistiges Leben: ich sah, dass sie fühlten,
... und alles,
Was ich sah, atmete inneres leben".
In seinem Buch, "Geliebte Erde, Naturfrömmigkeit und Naturhass im indianischen und europäischen Nordamerika", schrieb Werner Müller: "Ein Gemeinplatz unserer Kulturkritik bezeichnet den Menschen als Störung des Lebens, den Menschen schlechthin. Mit Verlaub: dieses störende Element, ist genau einzuengen. Es ist der europäische Mensch, der seit seinem Ausbruch aus dem – die übrige Welt schützenden – Gatter die anderen Kontinente mit einem ätzenden Schleim überzieht. Der Europäer, mag er nun körperlich auftreten wie in Amerika oder geistig wie in Asien, wirkt wie eine ansteckende Krankheit. Unter seinem Giftatem sterben die in Jahrzehntausenden gewachsenen Gemeinschaften dahin: Pflanzen, Tiere, Naturvölker".
Es scheint das nur die alte heidnische Menschheit zu diesem wunderschönen Planeten passt.
Die Erde war immer ein Platz für Heidentum und Naturglaube; sie wurde von Menschen bewohnt, die den Felsen, Bäumen und Tieren näher verwandt waren als der heutige Mensch.
Manchmal doch ganz selten taucht hier und dort wie aus alter grauer Vorzeit ein solches Relikt von Mensch wieder auf, ein Wordswort, ein Thoreau oder ein Walt Whitman der dann ruft wie eben Whitman in seinen "Grashalmen": "Gib mir Einsamkeit, gib mir Natur, gib mir wieder, o Natur, deine Erstlingsfrische"! Doch selbst Thoreau dessen Blockhütte noch
"an einer entlegenen, ewig jungen, jungfräulichen Stätte des Universums lag", war überzeugt davon, das die Natur keinen Einwohner habe, der sie zu würdigen wisse. Vielleicht ist es mal einen Artikel wert, darüber zu schreiben, warum die wirklichen "Regenbogenkrieger" immer einzeln in der Geschichte auftreten und nicht im Gefolge? Vielleicht hat es Rarihokwats, der langjährige Herausgeber der "Akwesasne Notes treffend formuliert: " Viele verstehen nicht, dass die natürliche Welt keine freie Welt ist. Die natürliche Welt handelt nach dem Gesetz der Natur, doch gibt es viele Zyklen der natürlichen Welt, mit denen man in Harmonie sein muss. Was gesucht werden muss, ist die Freiheit innerhalb dieser Kreisläufe und innerhalb dieses Gesetzes. Darin liegt eine unglaubliche Freiheit, die viel größer ist als diejenige, die von den meisten Menschen erfahren wird. Es ist nicht einfach die Freiheit aufzustehen, wann man will und ins bett zu gehen, wann man will. Leute, die auf der Suche nach dieser oberflächlichen Freiheit sind, verstehen nicht, dass die natürliche Welt sehr diszipliniert und sehr hart ist. Das natürliche Leben ist ein sehr hartes und ein sehr gutes Leben". (Akwesasne Notes: 12; Spätherbst 1974; Mohawak Nations; USA.).
Wir brauchen viel mehr Menschen die für eine Kurskorrektur eintreten, ja vielleicht werden wir mehr, doch eins dürfen wir dabei auf keinen Fall vergessen: Die anderen werden auch mehr. Die Entfernung von der Natur ist die Entfernung vom Leben selbst. Am 12. November 1817 richtet Wilhelm von Humboldt, einen Brief an seine Frau, in dem er die Gelehrsamkeit seines Bruders Alexander charakterisiert, in diesem Brief kritisiert er aber weit mehr, nämlich
den "Kulturmenschen" schlechthin: "Er (Alexander) versteht nicht die Menschen, obgleich er immer mit ihnen lebt und sich sogar vorzugsweise mit ihrem Empfinden beschäftigt; nicht die Kunst, obgleich er alles Technische daran recht fertig versteht und ganz leidlich selbst macht;
Nicht- so kühn und schrecklich das zu sagen ist- die Natur, in der er täglich seine Entdeckungen macht."
Walt Whitman drückte sich über das gleiche Problem vielleicht etwas verhaltener, dafür um so vernichtender aus:
Als ich den gelehrten Astronom hörte,
Als die Beweise, die Ziffern, untereinander geschrieben, aufgereiht
waren vor mir,
Als er die Karten, die Diagramme mir zeigte, sie zu addieren, dividieren, sie zu vermessen,
Als ich auf meiner Bank den Astronom hörte, wie er unter stärkstem Applaus
seine Vorlesung hielt,
Wie bald, ich weiß nicht warum, wurde ich müde und krank.
Und blieb`s, bis ich aufstand, hinausschlich und davon ging mir selbst überlassen,
In die mystische, feuchte Nachtluft, und dann und wann
Aufschaute in tiefem Schweigen bis zu den Sternen.
hukwa