Freitag, 14. Oktober 2011

Und so lang du dies nicht hast...

Sag es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet,
Das Lebendge will ich preisen
Das nach Flammentod sich sehnet.

Als Goethe diese Verse seines Gedichtes "Selige Sehnsucht" niederschrieb hatte er sich schon eingehend mit der Monadenlehre von Leibnitz beschäftigt. Im höheren Alter war er davon sehr angetan. In den "Maximen und Reflexionen" schreibt er: "Alt werden, heißt, selbst ein neues Geschäft antreten, alle Verhältnisse verändern sich und man muss entweder zu handeln ganz aufhören oder mit Willen und Bewusstsein das neue Rollenfach übernehmen.

In der Liebesnächte Kühlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
Überfällt dich fremde Führung,
Wenn die Stille Kerze leuchtet.

Sterben und Werden gehören zusammen, sind ein Prinzip, wie Chaos und Ordnung, wie kosmisches und irdisches.
Radhakrishnan schreibt in seinen Kommentaren zur Bhagavagita: "Das menschliche Wesen ist eine Vereinigung des Allumfassend-Unendlichen...Das Subjekt füllt sich mit allumfassenden Inhalt, erreicht am Ende seiner Reise die Einheit in der Ganzheit. Die Besonderheit des Menschen liegt nicht im Besitz zweier Augen und zweier Hände, sondern im Besitz des inneren Prinzips, das ihn zur schöpferischen Gewinnung eines wertvollen Lebensinhaltes antreibt...
Nicht mehr bleibest du umfangen
In der Finsternis Beschattung,
Und dich reißet neu Verlangen
Auf zur höheren Begattung.

So gesehen ist das Leben Prozess, Naturprozess und kosmischer Prozess. Der Körper ist an die Natur gebunden, der Geist an das kosmische beides entspringt einem Ursinn. Die Potenzen, das Prinzip dieses einen Ursinn schlummern in jeder Art von Leben. Dies nannte Leibnitz Monaden.

Keine Ferne macht dich schwierig,
Kommst geflogen und gebannt,
Und zuletzt des Lichts begierig
Bist du Schmetterling verbrannt.

"Und zu letzt des Lichts begierig..." Goethes letzte Worte waren mehr Licht.

Und so lang du dies nicht hast,
Dieses. Stib und Werde!
- bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.
J.W.Goethe
hukwa