Sonntag, 14. Juni 2020

Die Bedeutung des Schönen

Foto©UteKW


Platon kannte vier Kardinalstugenden- die Weisheit, die Tapferkeit, die Besonnenheit und die Gerechtigkeit. Über ihnen scheint die Sonne des Schönen. Platons Ethik die eine politische Ethik ist, dehnte er auf das gesamte menschlische Sein und Leben aus. Das Ideal ist die Vollkommenheit der Gattung, nicht der Einzelnen.
Im „Phaidros“ spricht Platon vom staunenden Erschrecken, wenn die richtigen Ideen auftauchen in dem sich die Seele an etwas zurückerinnert was sie unbewusst schon immer besessen hat. Er nannte solche Momente Anamnesis – Wiedererinnerung: die menschliche Seele hat im Zustand der Präexistenz in der übersinnlichen Welt die Ideen geschaut und erinnert sich jetzt beim Anblick der einzelnen Erscheinungen an ihre einst geschauten Urbilder, die Ideen. Alles Lernen ist also letztendlich Wiedererinnern. Auch der Gedanke an das Schöne ist eine Wiedererinnerung. Der Neuplatoniker Plotin sagte in diesem Sinne: „Die Schönheit ist das Durchleuchten des ewigen Glanzes des Einen, durch die materiellle Erscheinung.“
Das Denken über das Schöne ist dass Abweisen des Bösen. Denn das Schöne ist eine Kraft die in uns einstrahlt und wieder ausstrahlt. Eine Macht die verdeckt immer in uns vorhanden ist. Diese „Macht des Schönen“ gilt es aus dem Eingesperrtsein unserer subjektiven Enge zu befreien und Scheinen zu lassen.
Das Schöne ist in uns allen als auch außerhalb von uns, als etwas das die empirische Welt überstrahlt und vom Einzelnen erkannt werden will und ist somit eine Transzendenerfahrung. Eine Erfahrung die uns einen Zugang zum Sein eröffnet.
Durch ihre ganze Geschichte hindurch hat die Menschheit immer wieder versucht was sie als „schön“ betrachtet, als eine Kraft zu empfinden.
Das Sonnenvergleichnis in der Politeia Platons vergleicht die Fähigkeit zu erkennen mit der zu sehen. Beide bedürfen des Menschen als Medium: Wie die Sonne dem Sehenden, so hilft die Idee des Guten dem Erkennenden. Nur unter dem Gesichtspunkt des Guten (Schönen) gewinnt die Erkenntnis der Welt für ihn einen Wert. So sagt Platon:
...Ebenso nun sage auch, dass dem Erkennbaren nicht nur das Erkanntwerden von dem Guten komme, sondern auch das Sein und Wesen habe es von ihm, obwohl das Gute selbst nicht das Sein ist, sondern noch über das Sein an Würde und Kraft hinausragt.“ (Platon-Politeia).
Ein Sonnenuntergang ist in erster Linie kein Augenblick sondern ein Ideal, wenn ich ihn betrachte eröffnet sich mir der Zugang zum Schönen. Somit erhält das Schöne einen existentiellen Charakter, wird Teil einer intelligiblen Weltsicht.
Für Platon ist das Schöne über alles Vergängliche erhaben. Im „Symposion“ wird gesagt: wenn es ein Moment gibt, das dem Leben Wert verleiht, so ist es die Betrachtung des an sich Schönen.
Nicht jeder kann das Schöne erkennen oder will es erkennen. Im „Alcibiades Maior“ muss Alkibiades zugeben, dasss er das Wesen des Schönen nicht kennt. Im „Hippias Minor“ sucht Sokrates dem Sophisten Hippias eine Formulierung des Schönen abzulocken, wobei dieser versagt.
Dass Schöne will eben erkannt sein.


hukwa